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Prüfungsphase – Kids wirksam begleiten

Prüfungsphase überstehen

Prüfungsphase = Krisenzeit. Möglicherweise die erste im Leben Ihres Kindes oder Teenagers. An einer Prüfung geht es um etwas – etwas Ernsthaftes! Egal, ob Aufnahme- oder Abschlussprüfung: das Resultat hat Konsequenzen. Und natürlich wollen wir unsere Kids in einer Prüfungsphase möglichst gut begleiten. Aber was heisst «gut»? Die richtige Hilfe beim Lernen ist eine knifflige Angelegenheit. Die Psychologin Ruth Cohn hat das wunderbar getroffen, als sie sagte: «Wer zu wenig Hilfe gibt, ist ein Dieb. Wer zu viel gibt, ein Mörder.»

Ich habe hier ein paar Tipps zusammengestellt, von denen ich hoffe, dass Sie Ihnen helfen, eine Prüfungsphase nicht einfach nur zu überstehen, sondern sie als Entwicklungschance zu nutzen. Für alle Beteiligten!

Kind in der Prüfungsphase: plötzlich elternlos?

Ich bin nicht so stolz darauf, wenn ich daran denke, wie ich meinen Sohn vor vielen Jahren durch seine Zeit bis zur Aufnahmeprüfung ins Gymnasium begleitet habe. Irgendwie war ich elektrisiert, als Lerncoach fast schon sportlich herausgefordert – und natürlich topmotiviert. «Das schaffst du!» (Warum «das schaffst du doch» bedrohlich klingen kann, habe ich hier erklärt.) Schwerwiegender aber war, dass sich in den zwei, drei Monaten vor den Prüfungen seine Familienumstände stark veränderten. Alles drehte sich ums Lernen, ständig. Und ich war rund um die Uhr bereit, ihn anzufeuern, zu motivieren, ihm Tricks und Lernstrategien zu zeigen, das Wichtigste mit ihm zu üben und und und… Er hatte zuhause plötzlich eine Lehrperson – doch seine Mutter war weg. (Ja, das ist ein bisschen übertrieben. Aber auch ein bisschen wahr.)

Deshalb mein Rat an Sie in einer Prüfungsphase: Erinnern Sie sich an Ihre Elternrolle! Spenden Sie Trost («Ja, du hast es gerade echt schwer!»), füllen Sie den Kühlschrank mit Leckerlis, sorgen Sie für eine ruhige, zuversichtliche Arbeitsatmosphäre, kochen Sie Tee oder Kakao. Unternehmen Sie am Wochenende etwas gemeinsam – und reden Sie dabei nicht übers Lernen! Schlagen Sie Familienspiele oder einen Filmabend vor. Nörgeln Sie bis zur Prüfung nicht mehr über Zimmerordnung und Manieren….

Suchen Sie Hilfe, Trost und Rat bei anderen Erwachsenen. Sorgen Sie dafür, dass es Ihnen gut geht, gönnen Sie sich Erholung, Sport und Spass. Das alles brauchen Sie, um der Fels in der Brandung sein zu können, den Ihr Kind jetzt braucht.

Schweigen ist Gold. Reden ist Silber.

Wählen Sie Ihre Worte jetzt besonders klug. «Hättest Du doch schon lange angefangen» mag sachlich richtig sein, ist aber alles andere als hilfreich. Ebenso wenig wie: «Wenn du diese Prüfng nicht bestehst, wird nie etwas aus Dir werden.» Für alle Beteiligten besonders ermüdend sind lange Monologe über Ihre eigene (schwierige) Bildungskarriere, die Sie ihrem Kind ersparen wollen.

Zugegeben, ein besorgtes Mutter- oder Vaterherz kann durchaus in Katastrophenstimmung kommen. Verständlich und entschuldbar – aber nützlich? Nein. Denn: Was ist Ihre (nicht ausgesprochene) Botschaft hinter solchen Äusserungen, die von den Kids sehr genau herausgehört oder -gefühlt wird? «Eigentlich traue ich dir gar nicht zu, dass du das alleine schaffst – ohne mein ständiges Antreiben.» Und: «Egal, wie viel du tust – es ist nie genug.»

Wie möchten Sie in dieser Zeit in Erinnerung bleiben?

Wen wählen Sie in der Krise? Einen Manager oder einen Coach?

Verwandeln Sie den/die Familienmanagerin jetzt in eine/n hilfreiche/n Coach. Ein Coach stellt gute Fragen, die zur Entwicklung einladen. Gute Fragen an ein Kind in einer Prüfungsphase sind beispielsweise:
– Wie geht es Dir heute?
– Kann ich Dir etwas Gutes tun?
– Hast Du das Gefühl, Du kommst voran?
– Was brauchst du von mir?
– Diese Zeit ist hart – was könnte Dir das Lernen heute etwas erleichtern?
– Was könnte Dich zuversichtlich(er) machen?
– Wie könntest Du dieses Problem lösen?
– Wie hast Du xy überstanden? Das war damals ja auch ganz schwierig…?

Und wenn die guten Fragen auf taube Ohren stossen? Wenn die Hilfsangebote an einer schweigenden Mauer abprallen? Das ist hart. Hart für Eltern, die sehen, dass ihr Kind es (vielleicht) so nicht schafft. Hart für das Kind, das (vielleicht) doch Hilfe bräuchte. Dann mag eines trösten: Menschen wachsen an Schwierigkeiten. Umwege sind hin und wieder nötig und heilsam. «Wo ein Wille ist, ist ein Weg – und eine nächste Chance.» Wenn Sie Ihrem Kind Perspektiven und Zuversicht vermitteln, helfen Sie wirklich. Mit Zwang, (egal wie sanftem) Drill und Druck riskieren Sie die vertrauensvolle Beziehung zwischen Ihnen.

Ziele für die Prüfungsphase formulieren helfen

Ein kluger Mensch sagte einmal: «Das einzige Ziel, das wir nicht bekämpfen, ist das eigene.» Hier können Erwachsene Entwicklungshilfe leisten und hin und wieder fragen: «Warum machst Du das eigentlich?» Helfen Sie Ihrem Kind, das grosse Ziel hinter der Anstrengung zu sehen. „Du mühst Dich jetzt mit Mathe ab, weil Du später im Leben ganz oft mit Berechnungen zu tun haben wirst, zum Beispiel…» Erzählen Sie ruhig, wie oft Sie im Alltag mit Zahlen zu tun haben (aber übertreiben Sie’s nicht – einmal genügt).

Wie ich Kindern und Jugendlichen helfe, gute Ziele zu wählen, habe ich hier beschrieben.

Mit verschiedenen Strategien experimentieren

Was hilft Dir, dranzubleiben/früher anzufangen/dich durchzubeissen….? Stellen Sie solche Fragen wirklich als Fragen – nicht als rhetorische Schlaufen, um danach ihre One-and-Only-Geheim-Wunder-Lernstrategie anzupreisen. Jedes Gehirn lernt anders – was bei Ihnen funktioniert hat, muss es bei Ihrem Kind nicht tun. Und bei manchen Teenagern ist es fast schon eine Gesetzmässigkeit: je mehr wir Erwachsenen für etwas Werbung machen, desto suspekter wird sie unserem Teen scheinen!). Fragen Sie mit ehrlichem Interesse. Kaufen Sie ein Buch mit guten Lernstrategien (zum Beispiel „Effektiver lernen für dummies„) und lassen Sie es auf dem Esstisch liegen. Gerade noch erlaubt: «Schau mal – das wird xy vorgeschlagen – willst du damit mal experimentieren?»

Verwechseln Sie nicht Zeit und Leistung. Wer sich 15 Minuten konzentriert mit einem Thema auseinandersetzt oder es wiederholt, lernt unter Umständen besser, als wer eine Stunde lang halbherzig über seinen Büchern brütet. Aktive Lernmethoden.

Ermutigen statt pushen.

Als Coach bin ich immer wieder aufs Neue überrascht, wie unglaublich motivierend es auf manche wirkt, wenn ihre grossen (übergrossen!) Herausforderungen in kleine, machbare Schritte aufgeteilt werden. Diese Art der Hilfe scheint mir mehr als legitim: wer direkt vor dem Berg steht, sieht die Stufen manchmal einfach nicht.
– Was gibt es eigentlich zu tun – ganz konnkret?
– Womit kannst du anfangen?
– Was ist das Einfachste?
– Was kannst du selber – wo brauchst du allenfalls Hilfe?

Kleine Schritte führen zum Ziel. Mag sein, dass das nicht so schnell passiert, wie wir es uns manchmal wünschen, doch sie führen zum Ziel.

In meiner Praxis sehe ich es immer wieder: Wenn Eltern es schaffen, kleine Fortschritte zu würdigen, können sich ihre Kids auf den Weg machen. Suchen Sie solche kleinen Schritte – und sagen Sie: «Das hast Du toll gemacht!» (Achten Sie auf den Punkt! Lob ist keines, wenn davor oder danach noch etwas kommt wie: „du bist zwar noch weit entfernt von…“ oder „…wenn du doch mehr davon…“ Das entwertet das Lob und verwandelt es in noch einen Vorwurf mehr.)

Pause und Erholung in der Prüfungsphase

Eine endlose, lange Durststrecke bis zur Prüfung? Das muss nun wirklich nicht sein. Wiederholen, Ausruhen und Entspannen können sogar Hand in Hand gehen. Wichtige Verben lassen sich auf einer sonnigen Parkbank wiederholen. Ein Junge hat mir einmal gezeigt, wie er Treppenstufen zum Üben nutzt: jede Stufe eine Frage – jede Antwort ein Hopser abwärts. Ihm hat das sogar Spass gemacht! (Mehr Informationen über die Wichtigkeit von Pausen finden Sie hier.)

Notfallplan für die Prüfung entwickeln

Kindern, die unter Prüfungsangst leiden, können Sie konkrete Hilfe anbieten: «Soll ich Dir helfen, einen Notfallplan zu erstellen?» Besprechen Sie jede mögliche (und unmögliche) kleine und grosse Katastrophe. Vom Blackout bis zum Zuspätkommen – Vorbereitung tut gut und gibt Sicherheit. Hier finden Sie meine 10 besten Tipps gegen Prüfungsstress.

Der beste Glücksbringer: Selbstvertrauen!

Glücksbringer. Vorsicht vor Glücksbringern, die im letzten Moment vergessen oder verloren gehen können. Geben Sie Ihrem Kind einen echten Glücksbringer mit an die Prüfung: Das Zitat von Harry Potter (aus „The Order of the Phoenix“): „Harte Arbeit ist wichtig, aber es gibt etwas noch Wichtigeres: Glaub an dich selbst!“

Wie Sie Ihrem Kind kurzfristig Selbstvertrauen leihen, habe ich hier beschrieben.

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  1. Pingback: Am Abend vor der Prüfung - Feuerwehrübung? - Katrin Piazza

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