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Am Abend vor der Prüfung – immer wieder Feuerwehrübungen?

Am Abend vor der Prüfung – die Nerven liegen blank. Natürlich hättest Du früher anfangen sollen – aber das hilft Dir jetzt auch nichts. Aber was könnte Dir jetzt helfen? Als erstes auf jeden Fall: Kühlen Kopf bewahren. Gestresste Gehirne denken nicht besonders gut. Und dann gehe nach Plan vor!

Sonderfall Aufnahme- oder Abschlussprüfung:

Hier wurde natürlich länger gelernt und es ist völlig klar: Was ich heute Abend noch tue, hat keinen sehr grossen Einfluss mehr auf das, was ich kann. Wenn es Dich beruhigt, geh noch einmal Dinge durch, die Dir wichtig scheinen. Aber Achtung: nur locker durchsehen, jetzt bloss kein Büffeln mehr. Das zuletzt Gelernte kann das früher Gelernte blockieren. Beschäftige Dich mit dem Stoff also eher im Sinne einer Bestätigung: «Ja, genau – daran erinnere ich mich.» Wenn Dich das eher nervös macht, lass es bleiben und tue dafür alles, um optimalen Schlaf abzuholen. Was hilft Dir? Baden oder warm duschen? Ein Spiel mit Freunden? Eine RomCom oder in einem Roman lesen?

So oder so: Fürs Lernen ist es jetzt definitiv zu spät. Du kannst Dir sagen: «Ich werde morgen mein Bestes geben. Unter diesen Umständen ist das schon richtig viel.» Merke: Gedanken wie «Ich muss morgen unbedingt bestehen», erhöhen den Stress. Formuliere stattdessen lieber Wünsche: «Ich wünsche mir, morgen gut abzuschneiden – aber Prüfungen sind immer auch Glückssache.» (Für Eltern habe ich hier beschrieben, wie eine gute Begleitung während der Prüfungsphase aussehen kann.)

Vier beruhigende Schritte am Abend vor einer Prüfung

1. Bestandesaufnahme

Ist es wieder einmal so weit, dass Du alles auf den letzten Drücker machen musst? Beginne Dein Lernen mit einer gründlichen, ehrlichen Bestandesaufnahme: Wie viel Zeit habe ich? Was ist überhaupt zu tun? Wenn die Zeit knapp ist, ist es wichtig, nicht unnötig Zeit zu vertrödeln. Alles siebenmal lesen, langatmige Zusammenfassungen – das mag Dir alles ein gutes Gefühl geben, doch gelernt hast Du damit nicht viel. Liste jetzt erst einmal den wichtigsten Lernstoff auf – noch nicht ins Detail gehend, das kommt später.
Welche Art der Prüfung ist es? Ein Vokalbeltest? Ein Semestertest? Eine «normale» Leistungsprüfung? Es ist klar, dass der Abend vor der Prüfung anders aussieht, wenn es sich um eine Aufnahmeprüfung (siehe oben) oder einen regulären Test handelt.

Setz Dir ein Zeitlimit. Natürlich könntest Du theoretisch bis zwei oder drei Uhr morgens büffeln – aber wie bist Du dann in der Prüfung drauf? Unausgeschlafen? Erschöpft? Auch das ist für die Hirnleistung abträglich. Achte darauf, ca. 8 Stunden Schlaf zu bekommen. Der Schlaf in der Nacht vor der Prüfung ist besonders wichtig. Tu alles, um gut ein- und durchschlafen zu können. Wann solltest Du spätestens im Bett sein, um ausgeruht zu sein? Dass Schlaf der beste Lernfreund ist, habe ich auf dieser Seite schon mehrmals betont, unter anderem hier.

2. Stresslevel prüfen

Stress macht das schulische Lernen sehr schwer. Wie geht es Dir gerade? Auf einer Skala zwischen 1 (total entspannt) und 10 (ich flippe jetzt gleich aus) – wo stehst Du? Wenn Du kurz vor der Schnappatmung bist, musst Du Dich erst einmal beruhigen. Bist Du sehr angespannt, solltest Du schnell für Entspannung sorgen. Es klingt paradox – gerade am Abend vor der Prüfung hat man ja für gar nichts Zeit, oder? Nicht einmal für 5 Minuten an Ort Joggen? Hampelmänner? Liegestützen? Ein kurzes Telefongespräch mit der BFF? Finde heraus, was Dir rasch hilf, den Puls ein wenig zu senken. Es ist vielleicht nicht möglich, total entspannt zu sein am Abend vor einer Prüfung – aber wenn Du sehr aufgeregt bist, musst Du Dich gar nicht hinsetzen zum Lernen. Langfristig könnte es sich lohnen, eine Entspannungstechnik zu lernen (z.B. Achtsamkeitsmeditation, Yoga, Autogenes Training oder ähnliches.)

Vielen tanzen im Stress die verrücktesten Gedanken durch den Kopf. Von «ach, hätte ich doch…» bis zu «ich werde das nie und nimmer schaffen». Das ist zwar menschlich und verständlich. Aber: Am Abend vor der Prüfung solltest Du Dich ausschliesslich mit dem befassen, was gerade die Aufgabe ist. Gedanken über die Vergangenheit («Ach, hätte ich doch besser aufgepasst») oder über die Zukunft («Ich werde sitzenbleiben») sind ebensowenig hilfreich wie Gedanken, in denen Du Dich klein, dumm oder hilflos machst. («Ich bin einfach zu blöd.») Nimm Deine Gedanken an die Leine! Das ist natürlich einfacher gesagt, als getan. Versuch’s mal damit: «Stopp – das ist jetzt nicht wichtig. Was ist wichtig? Genau: hier rechnen!» Lernst Du das, wird es Dir auch in Prüfungen helfen, wenn Du Dich in den Aufgaben verlierst.

«Aber es ist noch soooo viel zu tun…!!» Drücken Dich die vor Dir liegenden Aufgaben immer noch? Dann dreh das Blatt einmal um. Statt dass Du Dich auf das konzentrierst, was noch vor Dir liegt, kannst Du Dich über das freuen, was Du schon geschafft hast. Eine «Erledigt»-Liste wirkt unter Umständen Stress reduzierend.

3. Rasch das Wichtigste finden

Es bringt in der Regel nichts mehr, am Abend vor der Prüfung ganze Theoriebücher von A bis Z durchzulesen. Oder langatmige Zusammenfassungen zu schreiben. Also frage Dich: Was ist jetzt wirklich noch zu tun? Hast Du Lernziele? Gut. Dann benutze sie. Keine Lernziele? Dann schreib Dir die wichtigsten Themen als Liste auf. (Manchmal hilft es, das Inhaltsverzeichnis in einem Theoriebuch zu nutzen: dort sind die wichtigsten Themen aufgelistet.) Dossier? Folien? Versuche, Dir einen genauen Überblick über das zu Lernende zu verschaffen. Und jetzt geh so vor:

  • Streiche mutig weg, was Du bereits kannst. Oder noch besser: Färbe das, was Du sicher weisst, auf Deiner Liste in einer Lieblingsfarbe ein. Es hilft, wenn Du siehst, wie viel Du schon erledigt hast oder weisst.
  • Unterteile ein A4-Blatt (quer) in 3 Spalten. In die erste Spalte schreibst Du (ganz ehrlich!) das, womit Du Dich befassen würdest, wenn Du nur noch 15 Minuten Zeit hättest. (Ganz oft weisst Du eigentlich, was wirklich noch nicht sitzt. Beschäftige Dich damit!) Dann überleg Dir, was Du in 45 Minuten tun könntest. Und zuletzt schreibst Du auf, womit Du Dich auch noch befassen würdest, wenn Du noch 90 Minuten Zeit hättest. Arbeite jetzt diesen Plan ab. Vergiss auf keinen Fall die Pausen! Kurze Pausen (2-5 Minuten) erfrischen das Gehirn! Du kannst sie nutzen, um auf Deiner Liste das Erledigte einzufärben oder Dir einen kleinen Orden zu zeichnen – nichts motiviert so sehr wie der eigene Fortschritt oder der eigene Erfolg.
  • MindMap, Fachlandkarte, Lernposter, Spick – alles, was Du grafisch und strukturiert darstellst, ist jetzt besser als eine lange Zusammenfassung. Decke Teile der Illustration mit Post-It-Zetteln ab, um das Wichtigste zu repetieren. Versuche, Dir die Struktur des Mindmaps einzuprägen – vielleicht sogar, indem Du die Äste farbig anmalst oder bei den Details kleine Zeichnungen anbringst.
  • 300 Fremdwörter zu lernen? Wenn es unbedingt sein muss am Abend vor der Prüfung: Teile die Wörter in Portionen auf. 300 Wörter durchgehen – und wieder von vorne Anfangen – das ist nicht nur furchtbar langweilig, sondern auch selten sehr effektiv. Besser: Repetiere in kleineren Portionen von jeweils ca. 20-30 Wörtern. (Aber ganz ehrlich? Vokabeln am Abend vor der Prüfung ist wirklich ein No-Go!!!!)

4. Lerne aus der Erfahrung – gewöhne Dir bessere Lernstrategien an

Bevor Du ins Bett gehst, solltest Du Dir einen Termin in die Agenda setzen: «Übers Lernen nachdenken.» Nimm Dir fest vor, ernsthaft über Deine Lernstrategien nachzudenken. Klar – alle lernen am Abend vor der Prüfung. Die einen kommen damit durch, andere nicht. Was alle tun, ist nicht immer das Richtige. Wenn Du merkst, dass Deine Noten (und vielleicht auch Deine Nerven) unter dieser Art der Vorbereitung leiden, dann ist es Zeit, etwas anderes zu tun.

Tipps an Eltern von Kids, die regelmässig am Abend vor der Prüfung lernen

Tränen, Geschrei, Türenknallen – oftmals liegen die Nerven blank am Abend vor der Prüfung. Hier ist es die Aufgabe von Eltern, Ruhe und Gelassenheit zu vermitteln. Und selbst wenn ich Angst habe, dass Sohnemann das wieder versiebt – jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt, ihm meinen eigenen Frust, meine Verzweiflung oder Sorgen um die Ohren zu hauen. (Und wenn ich vielleicht noch so recht habe!!). Das wäre Öl ins Feuer geschüttet. Jetzt geht es darum, das Beste aus einer schlechten Situation zu machen.

Hüte Dich vor Ratschlägen. Besonders, wenn das Stressniveau hoch ist, sind die Kids selten aufnahmebereit. Besser ist es, ihnen den Ball zuzuspielen: «Was wünschst Du Dir von mir? Was würde Dir jetzt helfen?» Achte darauf, rasch die «Jammerzone» zu verlassen und konkret zu werden. Was ist jetzt zu tun? Arbeite nach dem oben beschriebenen Ablauf.

Sind diese Feuerwehübungen bereits eine hartnäckige Gewohnheit? Dann lässt sich das erst recht nicht an dem Abend lösen, an dem das Stresslevel hoch liegt. Es braucht eine Strategien oder einen Plan, um das Verhalten langfristig zu verändern. Warte auf einen ruhigen Moment und besprich mit Deinem Kind: «Was machen wir, wenn Du das nächste Mal wieder am Abend vor der Prüfung antanzt?» Hilf ihm, einen «Notfallplan» zu erstellen (nach obigem Beispiel). Kleinere Kinder oder auch manche Teenager brauchen Hilfe beim Ordnen und Planen. Hier darfst Du, wenn es gewünscht wird, gerne helfen. Und dann gerne darauf hinweisen, dass es bessere Lernstrategien gibt. Hier habe ich z.B. über gute Lerngewohnheiten für Oberstufenschüler/innen geschrieben.

Es klingt hart, aber es ist wichtig, dass Eltern ihr Nachhilfeangebot verknappen. Sind sie rund um die Uhr an sieben Tagen pro Woche verfügbar? Weiss das Kind, dass die Eltern am Abend vor der Prüfung zuverlässig helfen? Dann wird es dieses Angebot gerne nutzen. Besser: Frühzeitig eine neue Vorgehensweise ankündigen: «In Zukunft möchten wir nach dem Abendessen unseren (wohlverdienten!) Feierabend geniessen. Alles rund ums Lernen wird gerne beantwortet – aber nur vor dem Essen (oder z.B. bis maximal 20.00 Uhr).» Wird es Versuche geben, diese Regel zu umgehen? Oh ja. Sollten Eltern trotzdem hart bleiben? Ich finde, ja. Wenn der Kurswechsel besprochen wurde, unbedingt. Wachsen wir Menschen nicht vor allem an unseren Schwierigkeiten?