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Versetzung gefährdet?

Wenn die Versetzung gefährdet ist, müssen Lernende am Semesterende einen Endspurt hinlegen. Manchmal in mehreren Fächern.

Steht Deine Versetzung (wieder einmal) auf dem Spiel? Hast Du ein paar Prüfungen «verschlafen»? Hast Du ein Motivationsproblem, bis Du ein Zeitproblem hast? Oder glaubst Du, Du könntest nur unter (ganz viel) Druck lernen? Hand aufs Herz: Könnte es sein, dass Du Dir einfach angewöhnt hast, nichts zu tun, bis es fast zu spät ist? Denn Du weisst ja: Unter Druck zu lernen, ist richtig schwierig. Das wird auch in Studien immer wieder bestätigt: Stress beeinträchtigt das Gedächtnis.

Wenn Deine Noten im Keller sind und Deine Versetzung Ende Semester gefährdet ist, dann ist jetzt höchste Zeit, ein paar Dinge anders zu machen. Albert Einstein warnte uns ja zu Recht: «Es ist eine Form von Wahnsinn, immer dasselbe zu tun und neue Ergebnisse zu erwarten.»

Autopilot aus! Bereite die Landebahn für deinen Endspurt vor.

Wie steht es wirklich um Dich? Viele meiner Klienten verlassen sich auf ihr Bauchgefühl – und müssen dafür oftmals ganz viel unnötigen Stress aushalten. Die einen plagt ein vages, ungutes Gefühl, dass es diesmal doch nicht ganz klappen könnte – ohne genau zu wissen, wie sie wirklich stehen. Die anderen sind total gestresst, obwohl sie es gar nicht sein müssten – auch sie sind im Autopiloten-Modus. Darum lautet der erste Schritt: Verschaffe Dir Klarheit in Sachen Noten. Unter Umständen kann Dir die Realität helfen, Deine Energiereserven freizumachen. Oder aber sie lässt Dich wieder ruhig(er) schlafen.

Schritt 1: Erstelle Deine Notenliste! Schreib alle bisherigen Noten auf oder schau Dein Zwischenzeugnis genau an. Wo stehst Du wirklich?

Wer weiss, wie er steht, kann priorisieren und verliert nicht Zeit und Energie für Unnützes. (Wenn Du Mühe damit hast, Deine Aufgaben in «wichtig» und «unwichtig» aufzuteilen, lies doch mal hier.) «Mut zur Lücke» kann jetzt das richtige Motto sein in Fächern, in denen keine unmittelbare Gefahr droht. Investiere jetzt lieber Zeit dort, wo es dringend notwendig ist. Interessanterweise verbringen viele Lernende Stunden oder sogar Tage mit ihrem Lieblingsfach Geschichte, obwohl sie dringend Physik machen müssten (oder umgekehrt). Verständlich ist das schon: Das eine gibt ein gutes Gefühl («Ich bin ja fleissig…!»), das andere fordert Anstrengung und bringt vielleicht Frust. Aber wenn’s um Deine Versetzung geht, solltest Du das Richtige tun, nicht das Angenehme.

Das realistische Ziel: Versetzung sichern.

Du weisst jetzt also Bescheid, wie Du stehst. Egal, wie schlimm es sein mag. Denk daran: Das Semester ist erst fertig, wenn die letzte Prüfung geschrieben ist. Bewahre also einen kühlen Kopf und halte Ausschau nach «leichter Beute». Wo könntest Du mit wenig Aufwand etwas tun, was Deiner Versetzung zuträglich wäre? Wo lohnt es sich, mehr als sonst zu investieren? Gibt es Fächer, in denen Du mit (relativ) wenig Aufwand viel erreichst? Wird diese eine Prüfung oder jener Vortrag viel verändern? Dann tu alles dafür, dass Du hier brillierst. Für eine Weile musst Du dafür vielleicht die Freizeit zurückstellen. Aber hey – was sind schon drei, vier Wochen gegenüber einem ganzen (wiederholten) Jahr?

Pass aber auf, Dich nicht zu verzetteln. Du brauchst bestimmt nicht in allen Fächern Übermenschliches zu leisten. Jetzt ist kein schillerndes Zeugnis gefragt, sondern einfach Deine Versetzung.

Schritt 2: Formuliere schriftlich Deine Ziele für die nächsten Prüfungen.

Übrigens: eine halbe Zeugnisnote Verbesserung pro Fach und pro Semester – das ist eine realistische Leistungssteigerung. Schau genau hin: Wo könntest Du das schaffen? Was braucht es noch für die sichere Versetzung?

Warum ist die Versetzung überhaupt gefährdet?

Keine Ahnung, wie es zu den unbefriedigenden Noten kam? Mach in den Fächern, in denen Du knapp stehst, eine Fehleranalyse. Glücklich ist jetzt, wer alle seine Prüfungen aufbewahrt! Diese können jetzt in Ruhe durchgeschaut werden. Mach Strichlisten, um Dir selber auf die Schliche zu kommen. (Lies hier, wenn Dich interessiert, wie Du Deine eigenen Fehler erkennst.) Welches sind Deine häufigsten «Böcke»? Gross-Kleinschreibung im Deutschen? Kommas? Oder in Mathe die Klammerregel immer noch nicht intus? Jetzt ist höchste Zeit, Dir deine eigenen «dummen Fehler» abzugewöhnen. Klingt das banal? Ist es auch! Aber Du glaubst gar nicht, wie viele Schüler/innen JAHRELANG (und konsequent in JEDER Prüfung!) immer wieder die gleichen Fehler machen. Gehörst Du auch dazu? Dann stell das jetzt ab.

Schritt 3: Erstelle eine Fehleranalyse Deiner häufigsten Fehler. Setze dort an, wo Du tatsächlich etwas verbessern kannst.

Wenn Du Dich traust, kannst Du auch Deine Lehrpersonen fragen. Die wissen nämlich meistens ganz genau, wo Du jetzt Zeit und Kraft investieren solltest. Manche schreiben es sogar auf die Prüfung…

Selbstvertrauen ist gut, Kontrolle ist besser.

«Das wird dann schon stimmen.» Ich kenne SchülerInnen, die ihre eigenen Arbeiten nie kontrollieren. Dummerweise lernen wir nur aus unseren Fehlern, wenn wir RASCH Feedback erhalten. Warte nicht darauf, dass Deine Lehrerin Dich benotet oder Deine Eltern Deine Arbeiten korrigieren. Kontrolliere Deine Hausaufgaben selber. Deine Arbeitsblätter. Jeden Satz. Jede einzelne Antwort. Alles, was Du schreibst, musst Du selber kontrollieren – sofort, nachdem Du es geschrieben hast. (Hier wird dieses Vorgehen genau erklärt).

Während Du schreibst, konzentrierst Du Dich auf den Inhalt – das ist ganz normal und soll auch so sein. Doch sobald Du fertig bist, gehst Du gleich alles noch einmal durch. Diesmal konzentrierst Du Dich aber nicht auf den Inhalt, sondern auf die Struktur (Grammatik, Rechtschreibung, Satzstellung etc.). Dieser zweistufige Prozess muss Dir in Fleisch und Blut übergehen.

Schritt 4: Gewöhne Dir an: «Keine Kontrolle? Noch nicht fertig!» Überlasse Deine Fehler nicht einfach den Lehrpersonen…

Ein kleiner Trick kann Dir dabei helfen: Sobald Du eine Arbeit (oder auch nur einen Absatz, eine Antwort etc.) geschrieben hast, setzt Du in Gedanken eine Detektiv-Brille auf und gehst auf Fehlersuche. Schau jedes Wort kritisch an und überlege Dir, ob es in allem stimmt (Einzahl oder Mehrzahl? Zeit? Verb oder Nomen?…)

Wenn Du Deine Fehleranalyse gemacht hast, kannst Du sogar ganz gezielt prüfen, weil Du jetzt ja weisst, wo Du die meisten Fehler machst!

Für die Versetzung raus aus der Komfortzone.

Schaust Du vor der Prüfung gerne «nochmal durch», was Ihr durchgenommen habt? Löst Du schon gelöste Aufgaben noch einmal? Ist das Deine (ganze) Prüfungsvorbereitung? Oder lässt Du Dir immer gerne alles erklären, von (Nachhilfe)Lehrern, Eltern, KollegInnen? Das ist zwar recht angenehm, hat aber seinen Haken: Du kannst Dich nämlich schön zurücklehnen und die anderen arbeiten lassen. In Gedanken bist Du in den Ferien…Das mag Dir ein angenehmes Gefühl geben, bringt Dich aber leider nicht zu besseren Noten. Wenn Du selbst es wirklich wissen willst, dann besorg Dir Prüfungsaufgaben, die Du noch nicht gelöst hast. Löse sie – und korrigiere sie sofort. Verbring keine Zeit mit Theorie-Lesen (nichts ist langweiliger, kaum etwas weniger effektiv), sondern versuche, aktiv zu sein: Übungen machen, Fragen beantworten, Aufgaben lösen. Klappt das nicht, kommst du nicht weiter oder machst du viele Fehler? Ärgere Dich nicht. Lieber jetzt (viele) Fehler machen statt in der Prüfung. Jetzt ist auch der Moment, zum Theoriebuch zu greifen – denn jetzt kann dir die Theorie (vielleicht) helfen. Du nimmst sie jetzt mit sehr viel mehr Interesse auf – und vielleicht bleibt diesmal auch etwas hängen.

Noch etwas: Du wirst wahrscheinlich mehr Zeit brauchen für die Prüfungsvorbereitung als bisher. Fang früher an und arbeite in kurzen (20-45 Minuten)Portionen über mehrere Tage verteilt. Nutze aktive Lernstrategien (Abfragen, Mindmap aus dem Gedächtnis, Lernposter, Spick…). Am letzten Tag vor der Prüfung wird nur noch wiederholt. Das ist nicht nur sehr viel besser fürs Gedächtnis, sondern auch für die Motivation. Oder brütest Du wirklich gerne stundenlang über den Büchern?

Schritt 5: Investiere mehr Zeit als bisher in die Prüfungsvorbereitung. Wenn Du Dich selbst abfragst, gewinnst Du Sicherheit.

Falls Du jetzt schon sehr viel Zeit mit Lernen verbringst, aber dennoch nicht auf gute Noten kommst, dann solltest Du Dir bessere Lernstrategien zulegen. Oder ein gutes Buch darüber. Diese beiden hier kann ich gerne empfehlen: «Effektiver Lernen für Dummies» und «Lernen für Faule». Stör Dich nicht an den Titeln! Du bist weder dumm noch faul – aber die Lernstrategien, die in diesen Büchern vorgestellt werden, können Dich weiterbringen!

Kämpfe sicht- und hörbar für Deine Versetzung

Ich kenne mehrere Schüler/innen, die äusserst knappe Noten hatten, gleichzeitig aber immer die volle Sympathie der Lehrpersonen. Wie das? Sie haben sich aktiv am Unterricht beteiligt. Sie haben gut mitgemacht, Fragen gestellt, mitgedacht, selbst dann mal aufgestreckt, wenn sie nicht 100 % sicher waren…. Da kann es schon mal vorkommen, dass eine Lehrperson grosszügig(er) aufrundet, als bei dem stummen Gespenst in der hintersten Reihe, das man nicht einmal vermisst, wenn es gar nicht kommt. (Fällt es Dir schwer, im Unterricht zuzuhören? Dann lies mal hier.)

Denkst Du, mündliche Mitarbeit ist Dir eben nicht gegeben? Irrtum! Ein Minimum an mündlicher Beteiligung kann geplant werden: überlege Dir zuhause eine Frage, die Du anfangs der Stunde stellen kannst. Ist etwas unklar geblieben? Möchtest Du etwas noch einmal hören? Selbst mit Fragen kann man sich bemerkbar machen.

Schritt 6: Sei sichtbar, sei hörbar. Plane Deine mündliche Mitarbeit, wenn Du bisher zu zurückhaltend warst.

Es ist auch nicht verboten, notfalls eine Zusatzarbeit anzubieten. «Kann ich einen Kurzvortrag halten oder einen Essay schreiben, um meine Note zu retten?» Zugegeben: Nicht alle Lehrpersonen steigen darauf ein – aber: fragen kostet nichts, und wer nichts wagt, gewinnt bestimmt nicht!

Was sollen Eltern tun, wenn die Versetzung des Kindes gefährdet ist?

Eltern müssen hin und wieder akzeptieren, dass Lernen nicht an erster Stelle steht auf der Prioritätenliste ihrer Kids. Wenn die Versetzung gefährdet ist, werden sie jedoch schwerlich ruhig dasitzen. Jetzt gilt es, feinfühlig zu sein und Hilfe so anzubieten, dass sie auch angenommen werden kann. Auch wenn es verlockend ist, mit Befehlen und Vorwürfen zu werfen – das ständige «Tu endlich etwas» könnte das Kind (und vor allem den Teenager) erst richtig in die Verweigerung treiben. Besser: «Brauchst Du Hilfe? Wie hättest Du meine Hilfe gerne?» (In meinem Webinar «Teenager ermutigen statt kritisieren» erkläre ich, wie Eltern in solchen Situationen wirklich hilfreich sein können.)

Lernen ist eine Holschuld. Ein ernstgemeintes «Wie kann ich Dir helfen?» wirkt besser als Druck und Zwang. Manchmal wünscht sich das Kind auch einfach nur Trost.

Wie im Marketing funktioniert vielfach auch die Verknappung des Angebots. Es ist selten (langfristig) hilfreich, wenn Eltern 24/7-Nachhilfe anbieten. Ein ruhiges (!) Gespräch über die Hilfsmöglichkeiten UND die klare Ansage wirken: «In Zukunft möchte ich nach acht Uhr abends nicht mehr arbeiten müssen. Auch nicht als Nachhilfelehrer/in. Bitte komm vor dem Abendessen – dann helfe ich Dir gerne.» (Hier müssen Zeiten gefunden werden, die zur Familie passen. Kurz vor Mitternacht ist sicherlich keine gute Zeit!)

Ein gut gemeintes «Du schaffst das» kann unter Umständen den Druck auf das Kind stark erhöhen – ohne wirklich hilfreich zu sein. Warum, habe ich hier erklärt.

Viele Teens sind damit zufrieden, wenn sie «gerade noch» durchkommen. Ein 4-er-Durchschnitt mag für manche genug sein. Hier gilt es, den Kids aufzuzeigen, dass ein bisschen Reserve die Nerven aller Beteiligten sehr entlasten kann. «Du brauchst bloss eine Erkältung oder einen schlechten Tag – und die Versetzung ist gefährdet. Was müsstest Du denn tun für etwas mehr Reserve?»

Und zum Schluss noch das Allerwichtigste: Kinder und Teenager brauchen zuhause Eltern, nicht zusätzliche Lehrpersonen. Eltern, die sie auch mal in den Arm nehmen und trösten oder sich mit ihnen über das ungerechte Schulsystem aufregen oder die Leibspeise kochen. Und wenn die Versetzung gefährdet ist oder sogar ganz ausfällt, brauchen sie dringend Eltern, die zu ihnen sagen: «Was ist schon ein verlorenes Jahr verglichen mit dem ganzen Leben? Wir lieben Dich so wie Du bist – ganz egal, was Deine Zeugnisnoten sagen.»