Blog

Prioritäten setzen beim Lernen

Das Bild zeigt ein Kind, das seine Prioritäten beim Lernen setzen kann - es wählt aus vielen verschiedenen Aufgaben drei aus.

Was tun, wenn die Pendenzenberge uns über den Kopf wachsen? Wo anfangen? Was zuerst erledigen, und was danach – und dann? Wenn wir die Übersicht verloren haben, «bedienen» wir meist einfach das, was gerade am lautesten schreit. Aber ist das auch das Wichtigste? Das, was uns langfristig nützt?

Prioritäten setzen bedeutet, die eigenen Gedanken und Aufgaben zu sortieren und nach Wichtigkeit zu ordnen. Selbstverständlich ist die Wichtigkeit von unseren allgemeinen Zielen beeinflusst – was sich beim Lernen manchmal sehr deutlich zeigt: Sind mir Schule und Noten (im Moment oder ganz allgemein) nicht wichtig, kommt immer alles andere zuerst. Umgekehrt: Ist es mein Ziel, Lernerfolg zu haben, erhalten meine Lernaufgaben ein höheres Gewicht.

Prioritäten setzen beim Lernen – was bringt das?

Viele Lernende beschäftigen sich gerne mit dem, was sie schon können. Das ist ganz menschlich und verständlich. Schliesslich gibt es uns ein sehr viel besseres Gefühl, etwas zu können, als etwas lernen zu müssen. Eine 13-Jährige beschrieb es vor kurzem ganz treffend: «Wenn ich etwas kann, hänge ich gerne noch zehn Minuten dran und arbeite weiter. Wenn ich etwas nicht kann, fange ich lieber gar nicht erst an.» Das Problem dabei ist, dass sie sich so oft mit Dingen beschäftigt, die weder wichtig noch dringend sind. Zum Beispiel mit der schönen Gestaltung von Arbeitsblättern, der stundenlangen Internet-Recherche oder noch mehr (allzu leichten?) Übungen. Wichtig und dringend in ihrem Fall wären aber mehr Repetition und eine gründlichere Prüfungsvorbereitung.

Wer seine Prioritäten erkennt und bewusst wählt, arbeitet eher an dem, was wirklich wichtig ist oder sehr bald erledigt sein muss.

Prioritäten setzen beim Lernen – verschiedene Methoden:

Prioritäten setzen beim Lernen – was ist das genau? Es geht darum, die eigenen Gedanken und Aufgaben nach Wichtigkeit zu ordnen. Es wird dann leichter, sie in der richtigen Reihenfolge abzuarbeiten.

Zettelwirtschaft

Einfache Listen sind schnell erstellt: Aufgaben notieren und sie von 1 bis X nach Wichtigkeit durchnummerieren. Wer es kreativer mag, kann die Aufgaben auf Zettelchen notieren und diese so lange herumschieben, bis die beste Reihenfolge klar ist. Noch besser: die Aufgaben auf farbige Zettel schreiben – jedes Fach bekommt seine eigene Farben. Es ist dann leichter, Mathe- oder Geschichtsaufgaben zu trennen. Was ist gerade wichtiger? Mathe? Also dann diese Zettel zuerst!

(Das Projektmanagement-Werkzeug Trello ist mir seit Jahren eine nützliche Hilfe, um meine Aufgaben digital festzuhalten und nach Wichtigkeit zu ordnen. Das Tool ist wohltuend einfach und minimalistisch gestaltet und sehr benutzerfreundlich. Ähnlich wie bei der «Zettelwirtschaft» können die einzelnen Aufgaben farblich markiert und so leichter sortiert werden.)

10-10-10-Fragen

Nicht immer ist auf den ersten Blick ersichtlich, ob die eine Aufgabe wichtiger ist als eine andere. Womit fange ich am besten an? Was lasse ich erst einmal liegen? Bei solchen Entscheidungsschwierigkeiten können die folgenden Fragen helfen:

Wie wichtig ist es, diese Aufgabe erledigt zu haben: In 10 Stunden? In 10 Tagen? In 10 Wochen?

Die Fragereihe lässt sich natürlich weiterführen – bis hin zu «in 10 Jahren?» Beim Lernen sind jedoch kürzere Zeiträume meist relevanter. Und die Antwort ist nicht selten: «Ich werde mir wünschen, ich hätte früher angefangen.» Oder: «Ich wünschte, ich hätte andere Prioritäten gesetzt.» Manchen hilft diese kleine Reise in die Zukunft, um heute, in der Gegenwart, in die Gänge zu kommen.

Die Frage kann auch abgewandelt werden in: «Welche Wirkung wird das, was du jetzt gerade tust, in 10 Stunden entfalten? Eine positive oder negative?» Ganz oft erscheinen uns das Smartphone, die sozialen Medien, die Chats oder News ja als sehr wichtig und ultra-dringend. Aber welchen Effekt haben die nächsten 40 Minuten, die ich im Netz verbringe auf längere Sicht? Und mal ehrlich: Wie viel weiss ich noch davon, sobald ich den Bildschirm ausschalte oder das Gerät weglege?

Die Eisenhower-Matrix – abgewandelt fürs Lernen

In der Arbeitswelt ist die Eisenhower-Matrix gut bekannt. Sie hilft uns, die Aufgaben nach den Kriterien Wichtigkeit und Dringlichkeit zu unterscheiden. Zeitlich dringende und wichtige Aufgaben müssen ihr zufolge sofort erledigt werden, während Unwichtiges und Un-dringendes auch mal auf die lange Bank oder den Tisch eines Mitarbeitenden verschoben werden darf. Ich habe hier versucht, eine Matrix für typische Lernaufgaben abzubilden:

Dringend, aber weniger wichtig
(z.B. weil nicht oder weniger notenrelevant):  
Beispiele: Hausaufgaben, Gruppenarbeiten, unwichtige Einzelarbeiten
Vorgehen: Nur mit halber Kraft arbeiten (oder Hausaufgaben ausnahmsweise auch mal liegen lassen). Etwas schneller als sonst arbeiten. Teamwork: Aufgaben aufteilen; eventuell Arbeit von jemandem korrigieren lassen.
Dringend und wichtig: (z.B. weil hoher Druck vorhanden ist, eine gute Note zu erzielen)  
Beispiele: (Ein wichtiger!) Test, notenrelevante Einzelarbeit, Abschlussarbeiten.
Vorgehen: Diese Arbeit verlangt jetzt die volle Aufmerksamkeit; sie muss heute erledigt werden; Ablenkung ausschalten; eventuell Hilfe holen.

Unwichtig und nicht dringend:  
Beispiele: Gestaltung von einzelnen Hefteinträgen, Perfektionierung oder Dekorierung von Bestehendem, Wiederholung von Dingen, die wir bereits können.
Vorgehen: Klären, was jetzt gerade wirklich notwendig ist (Tipp: nicht selten ist es etwas, was nicht besonders angenehm ist.)
Wichtig, aber nicht dringend
Beispiele: Voci, Fachbegriffe, Regeln
Fähigkeiten aufbauen (z.B. Matheoperationen einüben, Regeln anwenden etc.)
Vorgehen: tägliche Routinen entwickeln; Arbeiten in
kleine Portionen aufteilen und täglich etwas davon abarbeiten; frühzeitig planen.  

Ich weiss, manche Eltern und Lehrpersonen werden vor Entsetzen aufschreien: «Hausaufgaben sind immer wichtig und dringend» und «Alles ist wichtig!». Das ist aber schlicht realitätsfern. Wenn fünf Prüfungen oder mehr in einer Woche drohen, ist es schlicht unmöglich, sich den anderen Aufgaben mit gleicher Intensität zu widmen. Ausser, Pausen, Erholung oder Schlaf werden geopfert – und das wäre die schlechteste Wahl. Ein ausgeruhtes Gehirn leistet mehr und macht weniger Fehler. Ich finde es deshalb durchaus legitim, auch bei Lernaufgaben Prioritäten zu setzen. Zumindest dann, wenn die Zeit sehr knapp ist. Sobald wieder mehr Zeit zur Verfügung steht, wird eine neue Priorisierung vorgenommen – und es ist völlig richtig, dass dann auch die Hausaufgaben wieder ins obere rechte Fach rücken!

Heute schon an morgen denken

Mich hat dieser Tipp des deutschen Management-Beraters Günter F. Gross geprägt – ich beherzige ihn seit vielen Jahren:

«Die Aufgaben des heutigen Tages erledigen UND die Arbeit der kommenden Tage erleichtern.»

Günter F. Gross

Meistens müssen wir ja schon froh sein, wenn wir die Aufgaben des heutigen Tages überhaupt ansatzweise erledigen. Mir hilft es enorm, wenn ich an die Erledigungsphase noch zehn Minuten anhänge und mir überlege, wie ich meinen nächsten Tag erleichtern kann. Das kann manchmal auch einfach daraus bestehen, den Arbeitsplatz ein wenig aufzuräumen, einen Plan für den nächsten Tag zu erstellen oder eine oder zwei unerledigte Pendenzen in den nächsten Arbeitstag einzuplanen. Es gibt mir ein schönes Gefühl, dass der Berg des nächsten Tages immerhin schon einmal «angeknabbert» ist… Mit den Jahren ist ein Ritual daraus geworden: Kurz vor Arbeitsschluss wird das Licht gedimmt, ich gönne mir einen Tee oder einen Kakao und lasse es zu, dass sich Feierabendstimmung einstellt. Dabei schreibe ich mir drei Punkte auf, die für den kommenden Tag wichtig sind. Den Arbeitsplatz verlasse ich dann mit einem guten Gefühl: Für den nächsten Tag ist auch schon vorgesorgt.

Tipps für Eltern:

Nicht alle Kids und Teens erkennen, wie ihre Entscheidungen ihr Lernen kurzfristig und langfristig beeinflussen. «Ich habe ja noch gaaaaanz viel Zeit» sagen sie etwa, wenn eine Prüfung «erst» in der kommenden Woche ansteht. Und sie verkennen den Aufwand, der zu erbringen ist für eine gute Note. Oder sie belügen sich selbst: «nur noch kurz dieses eine Spiel», auf das ein weiteres folgt und noch eines… Eltern leisten Hilfe zur Selbsthilfe, wenn sie dazu ermutigen, gute Prioritäten beim Lernen zu setzen. Folgende Fragen können dabei helfen, anstehende Aufgaben zu priorisieren:

  • Was hast du davon, wenn du jetzt anfängst?
  • Was hast du zu tun?
  • Bis wann muss es fertig sein?
  • Womit fängst du an?
  • Wo erwartest du Schwierigkeiten?
  • Kannst du kleinere Portionen machen?
  • Hast Du Pausen eingeplant?

«Spass haben» und «bloss nicht anstrengen» als oberste Priorität?

Falls Ihr Kind oft oder sogar immer ganz andere Prioritäten hat als das Lernen, wäre es sinnvoll, mit ihm Gespräche darüber zu führen, was seine Aufgaben in dieser Lebensphase sind. «Du solltest besser….» ist allerdings keine hilfreiche Ansprache. Selbst wir Erwachsenen gehen meist in den Widerstand, wenn uns jemand so kommt. Kinder und vor allem Pubertierende sind da nicht anders. Hier habe ich darüber geschrieben, wie realistische Ziele gefunden und verfolgt werden. Verweigert Ihr Kind oder Teen solche Gespräche hartnäckig oder verwickelt Sie regelmässig in langatmige, nervenaufreibende Machtkämpfe, empfehle ich Ihnen mein Webinar «Machtkämpfe reduzieren.»

1 Kommentare

  1. Pingback: Versetzung gefährdet? - Katrin Piazza Lerncoaching Blog

Kommentare sind geschlossen.