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Selbständigkeit beim Lernen fördern

Motivierende Wörter

Kinder und Jugendliche auf dem Weg in die Selbständigkeit begleiten

Kleinkinder haben einen natürlichen Drang zur Selbständigkeit. «Ich. Will. Selber!!!!» fordern manche Knirpse monatelang vehement. Und sie werden richtig wütend, wenn man ihnen zu helfen versucht.

Jahre später, beim Lernen, scheint dieser Drang bei manchen spurlos verschwunden zu sein. Die Gründe dafür sind vielfältig – manchmal stecken Misserfolgserlebnisse dahinter, manchmal Ängstlichkeit und gar nicht so selten schlicht Bequemlichkeit. Mama und/oder Papa sind ja da und erweisen sich als (allzu?) zuverlässige Helfer.

Viele Eltern wünschen sich, dass ihre Kinder und Jugendlichen selbständiger sind, was das Lernen betrifft:

«Wenn ich nicht daneben sitze, geht gar nichts.»
«Ich möchte, dass er selber anfängt und nicht darauf wartet, bis ich wütend werde und ihn dränge.»
«Sie sollte ihre Hausaufgaben doch selbst erledigen können?»

Selbständigkeit ist nicht eine Charaktereigenschaft, die jemand hat oder nicht hat. Selbständigkeit ist eine Fähigkeit, die sich entwickeln lässt – in kleinen Schritten, mit der Zeit, mit Beharrlichkeit und vielen Gelegenheiten zum Üben. Eltern, die ihre Kinder bei diesem Entwicklungsprozess aktiv unterstützen möchten, können hier ansetzen:

Drei Ansatzpunkte für mehr Selbständigkeit

Angemessene Hilfestellung geben:

  • Angemessene Hilfe ist nicht: Ich mache es für dich. (In meiner Lernpraxis erlebe ich regelmässig, dass Eltern für ihre Kinder ganze Vorträge formulieren, Französischaufsätze schreiben, Themen recherchieren, Bilder ausschneiden und einkleben … ganz so, als ob dies alles ihre eigenen Aufgaben wären.) «Illegale Problemübernahme» nennt der deutsche Kinder- und Jugendpsychiater Michael Winterhoff solches Verhalten: Den Kindern abnehmen, was sie selber tun können. «Illegal» nennt er diese Form der Einmischung wohl, weil Eltern – durchaus wohlmeinend – auf diese Art eine wichtige Entwicklung der Kinder verhindern.
  • Angemessene Hilfe ist aber auch nicht: Das Kind komplett alleine lassen. «Mach das selber – ich weiss, dass du das kannst» ist sicherlich gut gemeint, aber nicht immer hilfreich. Wurde das Kind bisher rundum betreut, fühlt es sich ins kalte Wasser geworfen und verraten. Oder aber es hat bisher die Erfahrung gemacht, dass es etwas genau nicht schafft, obwohl es sich bemüht. Dann ist die Aufforderung «Mach es selber!» eine Überforderung.
  • Angemessene Hilfe ist: Nachfragen, was denn genau Schwierigkeiten macht – und an diesem Punkt Hilfestellung bieten. Miteinander nachdenken, wie das Problem gelöst werden könnte. (Wie hast du das das letzte Mal gemacht? Wer könnte es Dir noch einmal erklären? Was könnte Dir helfen, damit es einfacher wird? In welche Zwischenschritte könntest Du das Problem aufteilen? Welchen Teil davon schaffst du – welchen nicht?)
  • Angemessene Hilfe ist: Knowhow in Sachen Organisation und Planung vermitteln. Beispielsweise am Sonntag Abend miteinander anschauen, was es während der Woche zu tun gibt. Oder jeweils die Erledigung der Hausaufgaben miteinander planen: Was steht heute an? In welcher Reihenfolge könnten die Aufgaben erledigt werden, wo drängt sich eine Pause auf? Überlegen, was vielleicht schwierig sein könnte, und hier gezielt helfen. Dann fragen: «Kannst du jetzt mal alleine anfangen und so weit arbeiten, wie es geht?» Das Kind lässt sich am ehesten darauf ein, wenn es spürt, dass wir im Notfall immer noch da sind. Ist es dennoch unsicher, hilft vielleicht dieses Angebot: «Arbeite doch hier neben mir, während ich XY erledige – wenn es gar nicht anders geht, kannst du mich fragen.»

Unperfektes akzeptieren:

  • Kinder und Jugendliche gehen zur Schule, um etwas zu lernen – und nicht, um zu zeigen, wie perfekt sie sind! Ein Neunjähriger muss noch keinen Vortrag halten wie ein Manager, ein Lernplakat braucht nicht auf Anhieb druckfertig sein, und von der Gymnasiastin wird keine Doktorarbeit erwartet.
  • Motivierend sind realistische Ziele, deshalb ist es wichtig, die Messlatte nicht allzu hoch zu legen. Das kann auch einmal heissen, eine Arbeit nicht ganz fertig zu machen – weil die Zeit dafür fehlte oder weil die Aufgabe schlicht zu schwierig war. Eine entsprechende Rückmeldung an die Lehrperson ist für diese ein wertvoller Hinweis.
  • Auch die Auseinandersetzung mit den eigenen, vielleicht (allzu?) perfektionistischen Ansprüchen kann heilsam sein. Was steckt dahinter? Welche Ängste treiben uns so gnadenlos an, dass wir unsererseits unsere Kinder und Teenager so unbarmherzig antreiben müssen? Welche Ziele werden da angestrebt – und warum eigentlich? (Darüber habe ich im Blogartikel «Ständiges Antreiben wirkt demotivierend» bereits geschrieben.)

Raum für eigene Entdeckungen und Entwicklungen lassen:

  • Wer rund um die Uhr gemanagt wird, braucht selber nicht nachzudenken oder zu organisieren. Welche Aufgaben könnten Sie an das Kind/den Jugendlichen abgeben? Wo darf der Nachwuchs mitgestalten oder sogar selbt entscheiden? Wer in den Entscheidungsprozess eingebunden ist, hält sich eher an die gemeinsam vereinbarten Regeln.
  • Raum für Entwicklung benötigt auch Übungsmöglichkeiten (abseits vom Lernen). Kind will Kuchen backen oder für die Familie das Abendessen zubereiten? Na toll! Auch wenn es nachher in der Küche ein wenig mehr aufzuräumen gibt, als wenn wir es selbst gemacht hätten. Wir können diese Art der Selbständigkeit loben und darauf hinweisen: «Schau, ich wünschte mir, du würdest deine Hausaufgaben ähnlich motiviert anpacken. Was brauchst du, damit das besser klappt?»

Packen Sie das Thema «mehr Selbständigkeit» wie ein Projekt oder Experiment an:

  • setzen Sie sich (realistische!) Ziele,
  • definieren Sie einen Zeitraum, in dem Sie an diesem Thema arbeiten wollen
  • überlegen Sie sich, was als Erfolg und/0der Zwischenschritt gewertet werden könnte
  • loben Sie grosszügig, wenn sich eine Entwicklung abzeichnet.

 

 

1 Kommentare

  1. Pingback: Wie beim Lernen helfen, wenn ich es selber nicht weiss? - Katrin Piazza

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