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Mach den Fehler zum Freund!

Fehler sind Freunde

Wer befasst sich schon gerne mit einem Fehler? Niemand, klar. Wir wären ja alle soooo gerne perfekt… 😉
Wie halten Sie es mit Fehlern? Wofür entscheiden Sie sich?

  • Ein Fehler ist ein Zeichen dafür, dass ich nicht lernen kann.
  • Ein Fehler ist ein Zeichen dafür, dass ich dabei bin, Neues zu lernen.

Die zweite Aussage ist natürlich richtig. Doch dieser gelassene Umgang mit Fehlern fällt uns meist nicht so leicht. Schliesslich lernen wir schon in der Schule: Wenn ich viele Fehler mache, bekomme ich eine schlechte Note. Also: Fehlermachen ist blöd. Schade – denn ein Fehler enthält wichtige Informationen fürs Lernen.

Schwierig: Die eigenen Fehler anschauen

Wenn Lernende eine Prüfung zurück erhalten, fällt ihr Blick sofort auf die Note. Und dann wandert die Prüfung meistens in die Tasche. Junge Zyniker schauen bloss noch, ob der Lehrer vielleicht seinerseits einen Fehler gemacht hat, um die Note zu retten. Der verzweifelt, weil er sieht, dass die aufwändige Korrekturarbeit umsonst war. Da zeigt er genau auf, wo der Hund begraben liegt – und keinen interessiert’s.

Falls die Prüfung gemeinsam korrigiert wird, können nicht alle Lerner profitieren. Kinder mit grossen Verständnisschwierigkeiten brauchen mehr als nur die richtige Lösung. Kinder, die kaum Fehler machen, langeweilen sich, wenn fremde Fehler besprochen werden.

Umso wichtiger ist es, dass Schülerinnen und Schüler ihre Arbeiten selbst noch einmal genau anschauen (oder Eltern dies mit ihnen tun). Denn in jedem Fehler kann eine Information stecken, die geradewegs zum künftigen Lernerfolg führt.

Wichtig: Eine gute Fehleranalyse nach der Prüfung

Diese Fragen helfen, die Hauptfehlerquellen zu entdecken:

  • Habe ich alle Fragen richtig und abschliessend beantwortet? (Viele Kinder und Jugendliche überfliegen Fragen und Anleitungen nur. Sie stürzen sich auf ein Schlüsselwort und raten, was von ihnen verlangt sein könnte. Hier lohnt es sich, das Beantworten von Fragen gezielt zu trainieren. Dazu werden Fragewörter mit Leuchtfarbe angestrichen und nach der Beantwortung abgehakt. Bei mehrteiligen Fragen wird jede einzelne Frage in einer anderen Farbe markiert und abgehakt, wenn erledigt. Erst dann wird die nächste Aufgabe angepackt.)
  • Wo habe ich die meisten Fehler gemacht? (Dazu wird eine Liste erstellt mit Fehlerkategorien, zum Beispiel in Sprachfächern: Gross-/Kleinschreibung, Kommafehler, Konjugation – oder in Mathe: Kopfrechnen, Rechenweg, Genauigkeit, Geschwindigkeit).
  • Habe ich es der Lehrperson leicht gemacht, meine Leistung zu erkennen? (Wer schlampig arbeitet, Anweisungen ignoriert, unleserlich schreibt, ganze Wörter auslässt oder Sätze nicht beendet, darf nicht annehmen, dass die Lehrperson sich ihrerseits sonderlich anstrengt, die richtigen Antworten im Chaos zu erkennen.)
  • Habe ich mich auf die Prüfung gut vorbereitet? (Zeitmangel deutet oftmals auf mangelhafte Vorbereitung hin.  Zuwenig Schlaf, mangelndes Selbstvertrauen oder Prüfungsstress schmälern die Leistungsfähigkeit weiter.)

Motivierend: Sich mit Teilproblemen auseinandersetzen

Eine ungenügende Note löst meistens ganz viel Frust aus. Man möchte diese enttäuschenden Blätter irgendwo vergraben und vergessen, denn sie scheinen zu schreien: «Du bist halt nicht gut genug.» Eine 3 in Mathe führt zu der Überzeugung «ich bin halt schlecht in Mathematik.» Wer aber genau hinschaut, sieht möglicherweise, dass das Prinzip des Bruchrechnens nicht verstanden wurde oder dass verschiedene Begriffe (Nenner, Zähler) nicht klar unterschieden werden können. Oder es wurde zwar alles verstanden, aber zu wenig geübt, so dass in der Prüfung Zeitmangel entstand und nur die Hälfte der Aufgaben gelöst werden konnte.

Eine Fehleranalyse macht klar: Ich kann meine Probleme bewältigen! Für eine genügende Note muss ich nicht wochenlang büffeln (o Graus!), sondern ich kann mich ganz gezielt mit dem beschäftigen, was ich noch nicht weiss.

Meine Erfahrung mit Fehleranalysen ist äusserst positiv. Meistens sind meine Klienten äusserst pragmatisch – und sie können rechnen! «Schau mal – 60 Prozent Deiner Fehler in der Französischprüfung betreffen die Verbformen. Denkst Du, es macht Sinn, das Konjugieren zu üben?» Klar doch! Oder: «8 von 10 Fehlern bei Dir betreffen Gross-/Kleinschreibung. Möchtest Du die entsprechenden Regeln noch einmal anschauen?»

Gute Unterstützung: Was können Eltern tun?

  • Dem Kind erklären, dass ein Fehler nicht in erster Linie eine Bewertung ist, sondern eine Information. Und noch dazu eine wichtige Information! Eine, die dabei helfen kann, zukünftig weniger Fehler zu machen.
  • Das Kind einladen, seine Fehler zu untersuchen: «Wollen wir miteinander einmal schauen, wo die häufigsten Fehler passieren? Wäre ja doof, wenn Du diese in der nächsten Prüfung gleich noch einmal machtest, oder?»
  • Das Kind dazu motivieren, eine eigene Fehleranalyse durchzuführen: Welche Fehler mache ich in Aufsätzen/Texten immer wieder? Wo «verrechne» ich mich regelmässig in Matheaufgaben? Welche Aufgabentypen gelingen nicht gut?
  • Dem Kind helfen, seine aktivsten Fehlerquellen trockenzulegen. Das kann heissen, dass einzelne Regeln noch einmal angeschaut und geübt werden müssen. Oder Sie erstellen gemeinsam spezifische Lernkärtchen  («meine typischen Fehlerwörter») und trainieren diese ein paar Tage lang nach dem Prinzip «kurz, aber häufig».
  • Überlegen Sie gemeinsam, wie der Weg zum Prüfungserfolg aussehen könnte (z.B. früher anfangen, mehr üben statt nur lesen, genügend schlafen).
  • Überdenken Sie allenfalls die eigene Hilfe-Strategie. Insbesondere dann, wenn Ihnen besonders viel Widerstand entgegenschlägt. Kinder und Jugendliche nehmen Rat leichter an, wenn er ganz unbemerkt daherkommt. Darüber habe ich hier schon einmal geschrieben.