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«Keine Lust aufs Lernen» – bloss eine harmlose Ausrede?

Keine Lust - Ausrede oder Problem?
Keine Lust - Ausrede oder Problem?

Keine Lust – harmlose Ausrede oder Spitze des Eisbergs?

«Keine Lust!» – harmlose Ausrede oder Spitze des Eisbergs?

«Ich hatte halt keine Lust» – diese Ausrede ist die Standardantwort vieler meiner jugendlichen Klienten, wenn ich sie frage, warum sie nicht (oder zu wenig) gelernt hatten. «Keine Lust» kann eine harmlose Ausrede sein – eine impulsive Entscheidung, ohne weitere Folgen. Wenn «Keine Lust» aber regelmässig oder sogar fast automatisch  dazu führt, dass das Lernen verschoben oder abgebrochen wird ist es keine harmlose Ausrede mehr, sondern die berühmte Spitze des Eisbergs. Und unter ihr verbergen sich manchmal handfeste Lernprobleme.

Die Gründe der Unlust

«Warum hast Du denn keine Lust?» Nachfragen löst meistens Ratlosigkeit oder einfach nur Schulterzucken aus. Genügt es nicht, keine Lust zu haben, um das Lernen abzubrechen? Braucht man ernsthafte, gewichtige Argumente dafür? Kompliziertere Ausreden?

Viele unserer Tätigkeiten sind heute mit Spass verbunden – oder ihm sogar ausschliesslich gewidmet. Vielleicht zu viele. Denn es gibt immer Situationen und Aufgaben, in oder bei denen wir nicht darauf warten können, dass sich der Spass von selbst einstellt – oder überhaupt. Für Lernende ist es daher gut zu erkennen, was genau sich hinter ihrer «Lern-Unlust» verbirgt.

Verschiedene Probleme, die sich hinter «keine Lust» verstecken

Einige der häufigeren Lernprobleme, die hinter einer manifesten Unlust stecken können, zähle ich hier auf. Und nenne einige Fragen, die zu Lösungen führen können – vorausgesetzt natürlich, es wird ernsthaft darüber nachgedacht.

Ein Tipp für Eltern: Die Fragen sind keinesfalls rhetorische Fragen, auf die Sie nach 10 Sekunden Schweigen Ihre Antwort präsentieren dürfen. Lassen Sie Ihr Kind/Ihren Teenager in Ruhe überlegen und eigene Ideen äussern. Akzeptieren Sie auch Lösungsvorschläge, die für Sie ungewöhnlich oder unorthodox klingen. Wenn Sie der Ansicht sind, diese seien hochgradig unrealistisch (z.B. «Ab morgen stehe ich um sechs Uhr auf und mache die Übungen dann»), handeln Sie ein Experiment aus: «Gut, mach es eine Woche lang so und dann werten wir aus. Wenn’s geklappt hat, prima, weiter so. Wenn nicht, musst Du etwas anderes machen.»

Schlechte Erfahrungen in der Vergangenheit: «Das nützt sowieso nichts.»

Entweder hat das Lernen zuhause regelmässig unendlich lange gedauert, zu schmerzhaften Konflikten oder in letzter Zeit allzu oft zu ungenügenden Resultaten geführt.

  • Was kannst du ändern, damit das Lernen erträglich wird? (Oft ist ein wirksamer erster Schritt, die Lerndauer drastisch zu senken. Zweistündige Lernsitzungen sind für alle Beteiligten zermürbend und bringen gar nichts. Das Gehirn wird überlastet und kann die vielen Informationen gar nicht richtig verarbeiten. Besser: 20-30 Minuten lernen, dann eine kurze Pause. Nach zwei oder drei dieser Portionen folgt eine längere Pause.)
  • Wie kommen deine Freunde/Kolleginnen zum Erfolg? Was kannst Du von anderen lernen? (Jeder lernt anders – da gibt viel Gutes, was man von anderen abschauen kann. Viele Kinder und Jugendliche nehmen gute Tipps übrigens leichter von Gleichaltrigen auf als von den eigenen Erwachsenen.)

Überforderung: «Das schaff‘ ich nie und nimmer!»

  • Was hast Du verstanden, was nicht? Wer könnte Dir helfen / erklären, was Du nicht verstanden hast? (Meistens ist das Gefühl «ich kann das nicht» zu allgemein, zu global – es ist hilfreich, den Fokus auf die Kleinigkeiten oder Teilbereiche zu legen, die doch schon beherrscht werden.)
  • Was ist einfach genug, damit Du damit anfangen kannst? (Viele Lernende arbeiten extra schneller, um die Aufgaben möglichst rasch hinter sich zu bringen. Bei Nichtverstehen ist aber langsames Vorgehen besser.)
  • Hast Du Dir ein realistisches Ziel gesetzt? (Unrealistisch hohe Ziele sind in der Regel demotivierend. Wie realistische Ziele gewählt werden, habe ich hier erklärt.)

Mut- oder Hoffnungslosigkeit: «Hilft ja alles nichts.»

  • Welche Schwierigkeiten hast Du bisher schon gemeistert? (Wer sich in Erinnerung ruft, dass schon andere Schwierigkeiten überwunden wurden, schöpft neuen Mut und geht zuversichtlicher an die Aufgabe heran.)
  • Wie bist Du bisher zu Deinen Erfolgen gekommen? (Erfolge aus anderen Bereichen wie Sport, Kunst, Theater etc. dienen als Beispiel dafür, dass Erfolg machbar ist – in kleinen Schritten, mit Beharrlichkeit.
  • Was oder wer könnte Dir helfen, es trotzdem zu schaffen? (Es ist nie verkehrt, Hilfe zu holen. Tatsächlich zeichnen sich erfolglose Schüler gerade dadurch aus: dass sie wissen, wann sie Hilfe brauchen und diese auch annehmen.)
  • Welchen kleinen ersten Schritt kannst Du machen? (Wer sich immer an einem – vielleicht sogar unrealistischen – Fernziel misst, wird mutlos. Wer selbst kleinste Fortschritte feiern kann, kommt weiter. Wie Wertschätzung für kleine Fortschritte hilft, habe ich hier erklärt.)

Sinnlosigkeit: «Das werde ich in meinem ganzen Leben nie brauchen!»

  • Was nützt Dir diese Haltung für die nächste Prüfung? Was bringt sie – langfristig? («Wir lernen fürs Leben» – ist ein schönes, hehres Ziel. Die Realität zeigt: Manchmal lernen wir einfach nur für den nächsten Test. Aber auch der ist ja bloss ein Schritt auf dem Weg. Wer weiss, dass er/sie auf dem richtigen Weg ist, kann diesen Stolperstein leichter verkraften.)
  • Wie kannst Du das Gelernte hier und heute anwenden? (Treffende Beispiele finden, sie jemandem erklären – je konkreter man sich damit auseinandersetzt, dass das Gelernte mit dem eigenen Leben zu tun hat, desto sinnhafter wird es.)
  • Was brauchst Du, um es halt trotzdem zu tun? (Ein paar Gummibärchen? Motivierende Musik? «Gring ache und seckle?» Zu wissen, wie man sich selbst motivieren kann, ist ein wichtiger Lernschritt.)

Langeweile: «Boah – nicht schon wieder das…!!»

  • Was genau ist das Langweilige daran? Kannst Du das auf eine andere Art und Weise lernen als bisher? (Mindmap oder Lernposter herstellen, statt alles siebenmal lesen. Nur 7 Fremdwörter pro Tag, nicht 150 auf einmal. Ein Dokumentarfilm statt 50 Seiten im Lehrbuch. Gut zu wissen: Je mehr man sich mit Lernstoff auseinandersetzt, desto interessanter wird er. Manchmal hilft es auch, mit guten Lernpartnern zu lernen – wie das geht, habe ich hier beschrieben.)
  • Wie könntest Du es interessanter machen? (Manchmal hilft es, grössere Aufgaben in kleine aufzuteilen und diese über mehrere Tage zu verteilen. Eine angemessene Belohnung motiviert mitunter zusätzlich. Sportliche Geister reagieren auch gut auf Zeitverknappung – «schaffst Du das in 15 Minuten? Dann mal los!»)

Folgenlosigkeit: «Macht eh‘ keinen Unterschied, ob ich es mache oder nicht.»

  • Was bringt Dir diese Einstellung – langfristig? (Aufgeben ist meist eine Spontanentscheidung, bei der die Zukunft keine Rolle spielt. Sich angewöhnen, an den langfristigen Nutzen – oder eben Schaden – zu denken, ist clever.)
  • Wie wirst Du darüber in Zukunft denken: In 10 Minuten? In 10 Stunden? In 10 Tagen? (Die 10-10-10-Methode ist hilfreich, um schädliche Impulsentscheidungen in Schach zu halten. Allerdings muss man sich im richtigen Augenblick daran erinnern. Ein paar Erinnerungshilfen über dem Arbeitstisch oder in der Wohnung verteilt schaden bestimmt nicht.)

Selbstüberschätzung: «Das kann ich (dann) schon…»

  • Denk mal zurück: Welche Erfahrungen hast Du bisher mit dieser Einschätzung gemacht? Warst Du zufrieden mit den Resultaten? (Wenn die Zufriedenheit da ist und die Resultate zum Erreichen des Ziels genügen, ist gegen ein wenig Minimalismus nicht viel einzuwenden. Wenn nicht, dann: nochmal überdenken.)
  • Kannst Du Dir ein schlechtes Resultat leisten? (Um sicher zu gehen, dass die optimistische Einschätzung stimmt, gibt es nur eines: Sich selbst testen. Fällt der Test gut aus – alles easy. Wenn nicht: Ab an den Arbeitstisch.)
  • Bist Du zufrieden mit Dir? (Kaum etwas macht so zufrieden und stolz wie eine eigene Leistung. Wer das Lernen immer wieder verschiebt oder vertagt, bringt sich um jede Menge Glücksgefühle!)

Übrigens: Ja, manchmal ist «keine Lust» auch einfach nur eine harmlose Ausrede. Dann ist die knappe, trockene (Selbst-)Anweisung «mach’s halt trotzdem» durchaus legitim, um die Unlust in ihre Schranken zu weisen. Auf die Zähne beissen oder eine Kröte schlucken können sind Fähigkeiten, die uns im Leben weiterhelfen. Permanentes Antreiben als Antwort auf wiederkehrende Lustlosigkeit ist aber keine gute Lösung – sondern führt zu Erschöpfung und Motivationsverlust. Warum insbesondere Eltern das Antreiben ganz lassen sollten, habe ich auf dieser Seite schon ausführlich erklärt: hier. Eine wunderbare Erinnerungshilfe für den Küchenschrank oder die Pinwand können Sie hier herunterladen: „Begleiten statt Einmischen„.