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Übungszeit finden und zur guten Gewohnheit machen

«Fünfzehn Minuten täglich.»

Fünfzehn Minuten klingt nach wenig. Doch wie und wo, bitte schön, sollen diese fünfzehn Minuten Übungszeit täglich denn herkommen? Wir leben ja nicht auf einer einsamen Insel, wo wir frei über unsere Zeit verfügen können. Wir hasten zur Schule/Krippe/Arbeit und zurück mit Umweg über Supermarkt/Bibliothek/Musikstunde/Spielplatz. Die einen gehen gerade, wenn die anderen kommen. Und überhaupt: dienstags sind die Kinder beim Vater/Grossmami/Gotti – und dort ist eh‘ alles anders.

«Nur fünfzehn Minuten üben»

Das klingt so einfach, dass man an sich verzweifeln möchte, wenn man diesen klitzekleinen Effort nicht hinbekommt. Aber ist es wirklich ein klitzekleiner Effort? Im Gegenteil. Für Menschen wie mich, die beim Anblick von vollgefüllten Wochenplänen Atemnot bekommen, ist das etwas vom Schwierigsten überhaupt. Nach langer Leidenszeit habe ich für meine Familie eine Methode gefunden, mit der wir die «15-Minuten-täglich»-Nuss geknackt haben. Ich nenne sie die «Leuchtturm-Methode».

Sie geht so: Die wenigen, täglich wiederkehrenden Tätigkeiten sind die Leuchttürme – sie ragen gut sichtbar aus dem hektischen Alltagsallerlei auf. Bei uns waren das: Aufstehen, Zähneputzen, Essen, Schlafengehen. Diese Dinge passieren täglich – und sogar um mehr oder weniger dieselbe Zeit. Um sie herum können jeweils ein paar Minuten von dem eingebaut werden, was täglich gemacht werden muss. Zum Beispiel Üben.

Übungszeit finden – im Familienalltag mit Schulkindern

Leuchtturm 1: Essenszeiten

Beim Essen sind die Kinder am Tisch – quasi ruhig gestellt, aber auf eine angenehme Art. Direkt nach dem Essen heisst es: Übungszeit! Genau dann, wenn alle noch sitzen. Rechenblatt/Wörtli/Hausaufgaben nehmen und loslegen. Nach einer kurzen Eingewöhnungszeit läuft das in der Regel ganz automatisch. Keine Diskussionen, keine langen Vorbereitungszeiten. An Tagen, an denen die Kinder nicht zum Mittagessen nach Hause kamen, habe ich die Übungsgelegenheit am Nachmittag aufgefangen: mit einem «Zvieri Plus» – Tee, Joghurt oder Frucht und «Plus»: die angehängten 15 Minuten Lesen oder Rechnen.

Leuchtturm 2: Zähneputzen & Co.

Am Badezimmerspiegel kleben die wichtigsten Grammatikregeln oder Wörtli der Woche, an der Innenseite der WC-Türe die unregelmässigen Verben. Auch so lassen sich wieder ein paar Minuten regelmässiges Wiederholen einschmuggeln.

Leuchtturm 3: Schlafenszeit

Für uns war die Gute-Nacht-Geschichte ein heissgeliebtes Ritual, weil sie mit Kuschel-Zeit, Ruhe und guter Laune verbunden war. Niemand wollte diese Zeit verpassen. Wir haben diese entspannte Stimmung oft genutzt, indem wir – fixfertig vorbereitet für die Geschichte – noch ein paar Minuten Übungszeit eingeschoben haben. Die Vorfreude auf die folgende Geschichte half vielfach über Müdigkeit und Motivationskrise hinweg.

Leuchtturm 4: Warte- oder Fahrzeiten

Fahrten im Zug oder Bus, Wartezeiten im Wartesaal beim Arzt etc. oder in langen Schlangen vor Kassen sind geradezu ideale Übungszeiten. Aus regelmässig sieben oder acht Minuten kommen im Monat rasch Stunden zusammen. Nicht immer waren die Schulhefte oder die Voki-Box dabei – dann haben wir versucht, aus dem Gedächtnis aufzusagen, was im Moment gerade dran war.

Und nebenbei ein Gespür für Wichtiges entwickeln…

Mit der Zeit haben meine Kinder selber vorgeschlagen, was unbedingt auf Post-its oder Lernkarten gehörte. So entwickelten sie – ganz nebenbei – nach und nach ein Gespür dafür, was wichtig ist und ins Gedächtnis gepackt werden soll.

Um mir unnötigen Stress zu ersparen, machte ich keinen Aufstand, wenn einmal eine geplante Übungszeit ausfiel. Ich plage mich nicht so sehr mit dem, was nicht passiert. Sondern lege meine ganze Kraft darauf, das Wichtige geschehen zu lassen. So oft wie möglich. Selbst wenn die Leuchtturm-Zeiten ein paarmal ausfallen, kommen so doch genügend Übungszeiten zusammen, dass sie Wirkung entfalten können!