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Immer im Hamsterrad? Steig aus!

Augen auf – Hamsterrad los! Am Morgen beim Aufwachen schon marschieren manchmal tausend Aufträge an mich selbst durch meinen Kopf. Eine endlos scheinende Kolonne von Arbeiten. «Es ist soooo viel – das werde ich nie und nimmer schaffen.» Ein Gefühl von Hilflosigkeit macht sich breit. Warum überhaupt anfangen? Selbst wenn ich heute ununterbrochen arbeite, bleibt der Berg Arbeit immer noch unüberwindbar.

Willkommen im Hamsterrad!

Dieser Begriff ist ein so passendes Bild für das, was da mit uns passiert: Wir rennen die ganze Zeit – und bleiben doch an Ort und Stelle. Wir jonglieren mit vielen Bällen gleichzeitig, doch nichts wird fassbar. Nicht nur Erwachsene sind zunehmend im Dauersprint, auch Kinder und Jugendliche erzählen mir von solchen Erlebnissen und Gefühlen. Und ich finde es nur zu verständlich, dass manche gar nicht erst anfangen mit dem Lernen. «Egal, wie viel ich heute mache – es wird nie alles erledigt sein!» «Ich bin immer am Lernen und werde nie fertig.» So jung – und schon im Hamsterrad? Das darf nicht sein! Dieser Zustand lastet auf dem Gemüt und wird mit der Zeit immer schwerer. Zeit, auszusteigen!

Schalt die Welt auf Pause.

Das Hamsterrad dreht sich immer gleich schnell – viel zu schnell. Aber was uns da so müde macht, ist vor allem die Monotonie. Allgemein ist unser Leben doch von Rhythmen bestimmt: Sommer und Winter, Tag und Nacht, Wachen und Schlafen, Einatmen und Ausatmen. Der erste Schritt aus dem Hamsterrad ist, wieder für einen guten Rhythmus zwischen Arbeit und Erholung zu sorgen:

  • Stundenlang über den Büchern brüten ist sinnlos. Kleine Pausen dagegen können Grosses bewirken. (Lies hier nach: «Gute Pausen»)
  • Ein ausschliesslich von Pflichten geprägtes Leben ist trostlos. Gönne Dir täglich mindestens einmal etwas, was Dir Freude macht. Ein Waldspaziergang? Eine Tasse Tee bei guter Musik? Ein bisschen musizieren, malen, tanzen, kochen, spielen, mit Freund/innen quatschen…. Was immer es ist, das dein Herz wärmt: tu es! Unbedingt!

Im Hamsterrad scheint alles gleich wichtig zu sein.

Lernende verfallen manchmal in eine Art «Büffel-Trance»: Sie lesen alles einmal, zweimal, dreimal oder recherchieren stundenlang. Sie brauchen noch ein Fachbuch, noch ein Erklär-Video, noch etwas mehr Nachhilfe. Oder sie verwandeln jeden Hefteintrag in ein Kunstwerk, schmücken Titel und malen kugelrunde I-Tüpfelchen… stundenlang…

Wenn mir Klienten erzählen, sie hätten «sieben Stunden lang für die Geschichts-Prüfung gelernt», bin ich nicht beeindruckt. «Du hättest auch 10 oder 20 Stunden mit deinem Stoff abhängen können, und das Resultat wäre wahrscheinlich das Gleiche gewesen.» Worum geht es beim Lernen? Darum, möglichst viel Zeit mit dem Lernstoff zu verbringen? Mit Sicherheit nicht! Sondern darum, das Relevante auszuwählen, zu reduzieren und genügend oft zu repetieren.

Nehmen wir also einmal die Dauerbeschäftigung unter die Lupe. Was von dem, was Du tust, ist wirklich wichtig? Der Prioritäts-Raster kann dabei helfen: Das ist eine Tabelle, mit der Du Aufgaben nach ihrer Wichtigkeit sortieren kannst. Das kann zum Beispiel so aussehen:

AufgabenA
(6-10)
B
(1-5)
C
(A-B)
    
    
    
    
Der Prioritäts-Raster

Fülle so Deine Tabelle aus:

Spalte A: Wichtigkeit 
Bestimme, wie wichtig es ist, diese Aufgabe zu erledigen. Gib ihr dafür zwischen 6 (= unwichtig) und 10 Punkten (= höchst wichtig). Vorsicht: Nein, beim Lernen ist nicht alles ist gleich wichtig. Frage dich: Hängt nur die nächste Note davon ab oder das Semesterzeugnis?

Spalte B: Dringlichkeit 
Hat die Aufgabe eine Deadline? Wie dringend ist sie? Auch hier sollst du Punkte vergeben: 1 (= muss sofort erledigt werden) bis 5 (= irgendwann).

Spalte C: Resultat 
Zieh die Zahlen aus Spalte B von denen in Spalte A ab (A – B). Je höher der Wert, desto höher ist wahrscheinlich die Priorität.

Du weisst jetzt also, was wirklich wichtig ist. Jetzt musst Du dem Wichtigen auch genügend Zeit einräumen. Reserviere beispielsweise täglich 30 bis 60 Minuten ausschliesslich für das Wichtigste. Und stell während dieser Zeit alle Ablenker aus. Alle!

Der Weg entsteht im Gehen.

Dieses Zitat wird Franz Kafka zugeschrieben – und es ist kein Zufall, dass auch Reinhold Messmer damit in Verbindung gebracht wird. Auch der Bergsteiger erklimmt seinen Gipfel nicht im Kopf, sondern indem er einen Fuss vor den anderen setzt – und tatsächlich geht. Also: Fang einfach mal an. Sofern Du weisst, was wichtig ist und was weniger, musst Du nicht mehr so viel über Deine Aufgaben nachdenken – fang jetzt an, schneller zu erledigen. Das Anfahren braucht am meisten Zeit – wenn Du erst einmal in Bewegung bist, wird es leichter. Mach das Anfangen leichter. (Darüer habe ich hier ausführlich geschrieben: «Schneller loslegen.») Eine clevere Hilfe ist dabei die «10-Minuten-Regel»: Nimm dir vor, 10 Minuten lang zu arbeiten. Wenn das Arbeiten nach diesen zehn Minuten gut läuft, bleibst du dabei. Wenn nicht, darfst du etwas anderes tun. Viele, die diese Regel anwenden, sind überrascht, wie selten sie letztlich wirklich abbrechen. Eben: «Der Weg entsteht im Gehen»!

Im Hamsterrad bleibst Du erfolglos

Wer sich im Hamsterrad abmüht, kennt kaum je ein Erfolgserlebnis. Auf die eine erledigte Aufgabe folgt sofort die nächste. Beim Lernen folgt das Resultat (die Note) ja ohnehin sehr viel später. Was, wenn sie dann sogar negativ ausfällt? Dann wird rückwirkend die ganze Anstrengung zunichte gemacht. «Nützt ja eh’ nichts.» Klar, dass hier die Demotivation meist nicht ausbleibt.

Was kannst du tun? Sorge dafür, dass Du wieder Erfolg erlebst. Setze Dir kleinere, erreichbare Ziele (das können Zwischenziele sein bei grösseren Aufgaben oder auch Tagesziele) und feiere Dich, wenn Du sie erreicht hast. Klingt das lächerlich? Vielleicht. Ich gebe zu, am Anfang hat es sich tatsächlich etwas seltsam angefühlt, wenn ich mir selbst ausgiebig auf die Schulter klopfte, mir ein «High Five» gab oder einen kleinen Freudentanz aufführte. Was soll’s? Ich habe wieder kleine Erfolge und immer mehr gute Gefühle bei dem, was ich tue. Manchmal male ich mir auch für jede erledigte Aufgabe einen Smiley auf einen Post-it-Zettel und klebe ihn an den Badezimmerspiegel. Am Ende des Tages lacht mir das Erledigte entgegen und freut sich mit mir.

«Nie genug, nie genug, nie genug» – das Mantra das Hamsterrads

Was, wenn Du gut genug wärst? Selbst wenn Du nicht 100 Prozent erledigst von dem, was Du Dir vornimmst? Oder wenn Du nicht jedesmal perfekte Arbeit ablieferst? Klar: Es ist wichtig, sorgfältig und genau zu arbeiten. Doch zwischen unseriöser Arbeit und dem ungesunden Streben nach Perfektion liegt ein weites Feld. Nutze diesen Raum! Lege doch selbst fest, wo Du alles geben willst und wo es genügt, einfach das Nötigste zu tun.

Wenn ich morgens aufwache und merke, dass die «Du-musst»-Gedanken in meinem Kopf schon Karussell fahren, dann setze ich mich erst einmal hin und meditiere eine Weile. Sind Geist und Körper ruhig, arbeite ich danach sehr viel besser. Und ich staune, wie viel ich in kurzer Zeit erledigen kann. Ganz nach dem Pareto-Prinzip: In 20 Prozent der Zeit lässt sich 80 Prozent der Arbeit erledigen. (Für die restlichen 20 Prozent bis zur Perfektion wären dann aber weitere 80 Prozent der Zeit erforderlich.)

Und was hilft Dir, das Hamsterrad zu verlassen? Oder gar nicht erst einzusteigen?