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Durchziehen bis zum Schluss

Etwas Neues? Toooolllll. Voller Begeisterung stürzen wir uns auf neue Aufgaben, erledigen sie stets topmotiviert, machen vielleicht sogar viel mehr, als nötig ist…. Und dann kommt irgendwann die Routine. Auch das Neue wird zum Normalen, also einfach eine Aufgabe mehr auf unserer To-Do-Liste. Die immer mehr in den Hintergrund rutscht…. und sogar vergessen geht?

In meiner Lernpraxis sehe ich das nicht selten bei Kindern und Jugendlichen, wenn sie auf eine neue Schulstufe wechseln: In den ersten Tagen und Wochen freuen sie sich über die neuen Lehrpersonen, die neue Klasse, den interessanten Stoff… und spätestens zu Beginn der Herbstferien sind sie total ausgepumpt. Verständlich! Sie haben ja am Anfang alles gegeben. Wer jetzt aber eine Probezeit bestehen muss, braucht Wege, um die Motivation bis zum Ende hin zu halten. Gut anfangen ist eines. Durchziehen bis zum Schluss etwas ganz anderes!

Auch Erwachsene in Aus- und Weiterbildung spüren manchmal eine Durststrecke. Voller Freude sind sie in den Lehrgang eingestiegen, aber dann wird die Arbeitslast grösser, vielleicht sogar zu gross. Die Durststrecke muss aber nicht zu einem Dauerzustand werden. Und vor allem: soll nicht dazu führen, dass wir nicht bis zum Schluss durchziehen.

Ein Plan erhöht die Durchhalte-Chance

Wer im Tief steckt, sieht sein Leben als eine einzige Mühsal. Das Ziel ist noch weit weg, ein allzu kleiner Punkt weit weg am Horizont. Ein Plan kann hier erst einmal Übersicht verschaffen und dann sogar dafür sorgen, dass wir neu anfangen und durchziehen können. Es gibt verschiedene Pläne, die zu unterschiedlichen Bedürfnissen passen:

Grobe zeitliche Planung mit Langzeit-Zielen:

Was ist eigentlich mein Ziel in dieser Ausbildung? Der Abschluss? Das Diplom? Die Berufsausbildung? Wann werde ich mein Ziel erreicht haben? Welche Zwischenziele gibt es unterwegs? Schreib oder zeichne Deinen Weg zum Wunschziel auf. Manchen hilft ein Poster über dem Arbeitstisch mit dem Fernziel und den Meilensteinen dazwischen. (Was ist ein gutes Ziel? Darüber habe ich hier schon geschrieben.)

Monatsübersicht:

Ich rate meinen Klienten zu einer Agenda mit Monatsübersicht, wenn sie in ein paar Wochen oder Monaten eine wichtige Prüfung zu bestehen haben. Oder wenn sie Zeiten mit hoher Arbeitslast haben, gefolgt von Zeiten mit weniger Belastung. Gerade dann ist es schwierig, immer à jour zu bleiben. In der Monatsübersicht wird eingetragen, was wann zu erledigen ist. Wichtig: Auch Ferien und Ruhezeiten fest einplanen und markieren! Das gibt ein gutes Gefühl: «Diese Woche ist jetzt hart – aber danach habe ich zwei Wochen Ferien.»

Wochenpläne:

Klar, dass Hausaufgaben, Prüfungstermine und alles Wichtige irgendwo sichtbar eingetragen sein muss. (Während ältere Lernende (ab Oberstufe) ihre Wochenplanung in der Regel selber schaffen, sind Kinder dabei auf die Hilfe ihrer Betreuungspersonen angewiesen.)

Tagespläne und/oder To-Do-Listen:

Sie listen die einzelnen Aufgaben auf. Zwei Dinge sind bei solchen Listen besonders wichtig: 1. Sie dürfen nicht unrealistisch sein. Viele Menschen packen unendlich viel auf ihre To-Do-Liste – und sind jeden Abend enttäuscht, wenn nur ein Drittel davon geschafft wurde. Das ist doppelt schade, denn statt dass sie sich über das Erreichte freuen (1/3 der Aufgaben!), verbinden sie mit der Leistung ein schlechtes Gefühl («schon wieder nicht alles geschafft – ich Loser»). 2. Ebenso wichtig ist es, konkrete Aufgaben aufzulisten, die in ca. 20-30 Minuten erledigt werden können. Also nicht: «Auf Geschichtsprüfung lernen» (= 4 Stunden abhängen mit Geschichtsbüchern), sondern: Fachbegriffe auf Kärtchen schreiben, Personenprofile anlegen, Abläufe bis zur Situation XY aufzeichnen, etc. So macht durchziehen viel mehr Spass!

Motiviere dich mit deinen Erfolgen

Wer lediglich die Distanz zum Ziel sieht und stets das noch Fehlende im Auge hat, wird die Motivation verlieren. Denn die Belohnung für das Geleistete bleibt so aus bis zum Schluss. Das kann eine furchtbar lange, harte Durststrecke sein. Umgekehrt gibt es kaum etwas Motivierenderes als Erfolg. Sorge also dafür, dass du viele Erfolg feiern kannst. Dies erreichst du am Leichtesten, in dem du den Fokus wegnimmst vom Resultat und ihn auf den Arbeitsprozess legst. Das kann so aussehen:

  • Notiere alles, was du an einem Tag tatsächlich erledigt hast.
  • Lobe dich innerlich ausgiebig für alles, was du schaffst.
  • Führe einen Fortschritts-Tracker, der dir aufzeigt, wie du vorwärts kommst.
  • Klebe ein Post-it-Zettelchen mit einem Smiley an die Wand für jede (auch noch so kleine) Arbeit, die du geschafft hast.
  • Zahle (Papier)Münzen in eine Kasse für jede erledigte Aufgabe und belohne dich am Ende mit etwas Speziellem. (Ich rate Eltern, ihre Kinder NICHT fürs Lernen oder Hausaufgabenmachen zu belohnen. Mit einer Ausnahme: wird über längere Zeit kontinuierlich etwas geübt (z.B. 10 Minuten lesen täglich, über mehrere Wochen hinweg) kann eine Belohnung durchaus angebracht sein. Dann ist es aber ratsam, in gemeinsame Zeit zu investieren (z.B. Hallenbadbesuch oder Velotour oder ähnliches).

Durchziehen – mit Mass und Vernunft

Manche Lernende schwanken zwischen Hyperaktivität und Unproduktivät. Volle Kraft voraus – bis der Tank wieder leer ist und wir am nächsten Tag erschöpft «chillen» müssen? Besser nicht. Um in Zukunft besser durchziehen zu können, solltest du dir etwas Zeit nehmen und darüber nachdenken, welchen Arbeitsstil du pflegst. Wie gehst du deine Arbeiten an? Langsam, schnell oder mal so – mal so? Wenn du deinen Arbeitsstil kennst, kannst du darauf Rücksicht nehmen und auf lange Sicht besser durchziehen:

Formel-1-Piloten: Volle Kraft voraus – bis der Tank leer ist

Die Ultraschnellen vergessen oft, dass nach einer Kraftanstrengung oder einem harten Rennen unbedingt Erholung notwendig ist. (Geistige Anstrengung ist übrigens sehr energiezehrend!) Sie sollten also ihr persönliches Maximalziel im Auge behalten. Mit anderen Worten: von Anfang an nur so viele Aufgaben einplanen, dass auf jeden Fall eine tägliche Erholungsphase möglich ist und ich am nächten Tag wieder fit ins Rennen steige. Was nützt es, heute mehr als die Hälfte eines Projekts zu erledigen, wenn ich dafür die nächsten Tage aus purer Erschöpfung gar nichts mehr schaffe? Besser: Formuliere ein Maximalziel inklusive Erholungszeit, zum Beispiel: «Ich erledige X, Y und Z, arbeite aber maximal bis um 17.00 Uhr. Dann gehe ich auf meinen Abendspaziergang.»

Trödler, Träumer und Traumtänzer: Das eigentliche Ziel gerät aus dem Blick

Wer dazu neigt, den Anfang hinauszuschieben, sich ständig selbst zu unterbrechen oder von einer Aufgabe zur nächsten zu springen, sollte sich ein Minimalziel setzen. Und mit sich selbst ehrlich und streng bleiben: «Du darfst erst XY tun, wenn du zumindest dein Minimum erreicht hast.» Das Minimalziel kann beispielsweise aus den Dingen bestehen, die Lernende jeden Tag tun müssen: Hausaufgaben machen und Vokabeln repetieren. Dann – und erst dann! – darf der Spass beginnen.

Pendler: Zwischen Hyperaktivität und Unproduktivität

Viele Jugendliche (aber nicht nur sie!) schwanken stark in ihrer Tagesform. An einem Tag erreichen sie viel, am nächsten gar nichts. Diese Arbeitsweise birgt ihre Gefahren und bringt Nachteile mit sich. Weil es ab und zu geklappt hat, in einer Feuerwehrübung Unmögliches zu leisten, wird davon ausgegangen, dass das immer so ist. Der Arbeitsaufwand wird unterschätzt – die eigene Konzentrations- oder Leistungsfähigkeit wird überschätzt. Und: nach den Feuerwehrübungen folgt immer eine (mitunter lange) Erholungszeit. Wer regelmässig zwischen Überanstrengung und Nichtstun schankt, sollte sowohl ein Maximal- als auch ein Minimalziel für die tägliche Arbeit formulieren: «Ich darf höchstens (Maximalziel + aktive Entspannung) erledigen heute. Falls ich gar keine Lust auf Arbeit habe, erledige ich zumindest (Minimalziel).»

Ändere die Perspektive: Zeitmangel ist Reichtum!

«Ich muss noch … und dann muss ich … und muss noch …» Kennst du das auch? Müssen, müssen, müssen. So viel Pflicht, so wenig Kür. Aber: stimmt das wirklich? Musst du all das wirklich tun? Müssen ist ein starkes Wort. Ich behaupte: Wir müssen nur Steuern bezahlen und sterben. Spass beiseite – alleine dieses «ich muss, ich muss, ich muss» erhöht den Druck immens. Die Last auf den Schultern wird schwer und schwerer mit jedem «ich muss». Mit der Zeit verbinden wir sehr viele negative Gedanken mit dem, was wir eigentlich (meistens) selbst gewählt haben. Manchmal hilft es, wenn wir einfach die Perspektive wechseln:

  • Ich möchte jetzt die Vokabeln lernen (und hole mir dafür eine bessere Note ab).
  • Ich darf eine halbe Stunde mit Spanisch verbringen (nicht alle haben das Glück, diese Sprache lernen zu können).
  • Ich möchte jetzt kurz noch einmal auf Thema XY schauen (weil es mein Gedächtnis auffrischt, ich es dann besser wiedergeben kann und mit einem guten Gefühl ins Bett gehe).
  • Ich will jetzt sofort meine Hausaufgaben durchziehen (damit ich nachher unbeschwerte Freizeit geniessen kann).

Was «musst» du alles tun im Leben? Versuch’s jetzt gleich mal: mach ein «ich möchte» oder ein «ich darf» daraus und beobachte, wie sich das anfühlt.

Ach übrigens – es gibt doch ein «Muss» im Zusammenhang mit dem Lernen: Wenn du eine konstant hohe Leistung erbringen willst, MUSST du gute Pausen machen. (Darüber habe ich hier schon geschrieben.)

Durchziehen in der akuten Krise

Was tun, wenn du einmal gar keine Lust hast? Wirklich Null Bock? Das darf auch mal sein. Für diesen Zweck gibt es Notfallpläne, die dir helfen, doch noch bis zum Ziel durchziehen zu können:

  • Wenn ich mal keine Lust habe, mache ich trotzdem 10 Minuten und schaue mal, ob es vielleicht doch geht. (Wer 10 Minuten investiert, merkt meist, dass ein bisschen Arbeit doch drinliegt.)
  • Ich erkläre mir ganz genau, was ich davon habe, wenn ich etwas erledige, obwohl ich keine Lust darauf habe: «Ich habe jetzt keine Lust _________ zu machen. Wenn ich es trotzdem tue, gewinne ich ________________.» Wenn ich mir in Erinnerung rufe, warum ich XY überhaupt angefangen habe, dann ist plötzlich auch die Motivation wieder da.
  • Nicht warten, bis die Lust da ist. Nicht alles ist von Lust begleitet. Manches tun wir auch einfach, weil wir wissen, dass es gut und wichtig ist für uns. Hast du immer Lust, die Zähne zu putzen? Tust du es trotzdem? Siehst du. Genau so kannst du auch an deine Aufgaben gehen.
  • Such dir Verbündete. Alleine über schwierigen Übungen brüten, kann ganz schön öde sein. Aber vielleicht geht es jemandem in deinem Umfeld gleich? Dann tut euch doch zusammen. Geteiltes Leid ist halbes Leid.