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Zeitgefühl beim Lernen verbessern

Tagesplan Lernen Zuhause

Ein gutes Zeitgefühl beim Lernen ist wichtig – muss aber erst entwickelt werden!

«Wohin geht eigentlich meine ganze Zeit?» Der 13-jährige Sekundarschüler, nennen wir ihn Tom, schaute mich verdutzt an. Vor ihm lag ein ganz einfacher Plan, auf dem sämtliche Stunden einer Woche eingezeichnet waren. Tom staunte: Es sind unglaubliche 168 Stunden! (112, wenn wir nur die wach verbrachten Stunden zählen und durchschnittlich 8 Stunden schlafen).

Diese ganze Menge Zeit wurde auf einen Blick sichtbar – dank der Tabelle. So einen Wochenplan mache ich mit fast allen Klienten, jungen und alten. Denn seine Wirkung ist fast immer erstaunlich: Wenn sie die Menge ihrer Stunden schwarz auf weiss vor sich sehen, fragen sich die allermeisten Lernenden wie Tom, wohin eigentlich ihre Zeit geht. (Ja, Sie vermuten richtig: Ganz oft verschwindet sie spurlos in einem Bildschirm).

Wochenplan zum Herunterladen: Hier.

Zeitgefühl ist nicht angeboren

Wer eigene Kinder hat, erinnert sich bestimmt daran, wie ein Baby unsere normale Tagesstruktur ganz schön durcheinanderbringen kann – einfach dadurch, dass es selber noch keinerlei zeitliche Struktur hat – geschweige denn, sich an unsere hält! Auch Kleinkinder leben noch ganz im Moment und verstehen es nicht, wenn wir sie zur Eile mahnen. «Komm, der Bus fährt gleich!» Ach ja? Und was heisst «gleich»? Wie lange eine Stunde dauert oder ein Tag oder eine Woche – das wird nach und nach gelernt.

Nachdenken über Zeit hilft, besser zu lernen

Für Lernende aller Altersstufen ist alleine schon das Nachdenken über die Zeit und wie sie sie verbringen wollen, sinnvoll. Eine Berufsschülerin, mit der ich einen solchen Plan erstellte, erkannte verdutzt: «Krass, wie viel Freizeit ich mir nehme!» Gerade dies ist eine wichtige Erkenntnis. «Womit verbringe ich eigentlich meine Zeit?» Erst an dieser Stelle war sie bereit, ernsthaft darüber nachzudenken, wie viel Zeit sie in ihre Ausbildung investieren wollte. Jetzt war ihr klar: «Wenn ich mir weiterhin so viel Freizeit gönne, wird das wohl nichts mit besseren Noten.» Sie musste die Zeit sehen, um verstehen zu können, wohin sie verschwindet.

Ähnlich ging es einem Jugendlichen, der mit seinen Eltern zu mir kam. Sie forderten von ihm Mithilfe im Haushalt – nicht viel, lediglich zwanzig Minuten pro Woche. «Unmöglich!» protestierte der junge Mann und zählte seine vielen Verpflichtungen auf. Gemeinsam mit seinen Eltern erstellten wir Pläne (je einer!) und verglichen, wer wie viel Freizeit hatte. Der Jugendliche wurde still. Mit entwaffnender Ehrlichkeit gab er dann zu: «Eigentlich peinlich, wegen 20 Minuten so einen Aufstand zu machen.»

Wenn Eltern ihren Kindern und Jugendlichen helfen, ein Zeitgefühl beim Lernen zu entwickeln und Pläne zu erstellen, geben sie ihnen etwas sehr Wichtiges mit. Ich sehe in meiner Lernpraxis sehr oft, wie sich Kinder auf der Oberstufe oder sogar junge Erwachsene damit schwertun, ihre Zeit richtig einzuteilen. Wer es lernt, macht aber meist rasch gute Fortschritte.

Hier finden Sie eine ausführliche Anleitung zur Erstellung des Wochenplans: Anleitung für einen Wochenplan. Dieser bewährt sich in «Normalzeiten», also dann, wenn die Zeit dank Arbeit oder Schulzeit schon klar vorstrukturiert ist. Gegenwärtig (18.3.2020) fehlen diese Strukturen aber. Umso wichtiger ist es, sich selber eine gute Tagesstruktur zu geben.

«Coronaferien»: Wie Eltern ihre Kinder dabei unterstützen, ein gutes Zeitgefühl beim Lernen zu entwickeln

Infolge «Coronaferien» sind Eltern – insbesondere, wenn sie selbst im Home Office arbeiten sollen – gefordert, den Tagesablauf ihrer Kinder zu strukturieren und ihnen helfen, ein gutes Zeitgefühl zu entwickeln. Zum Beispiel so:

Schritt 1: «Wie gehst Du mit Deiner Zeit um?»

Laden Sie Ihr Kind dazu ein, einen ganzen Tag alleine zu verplanen. Vom Aufwachen bis zum Insbettgehen darf es Herr/Herrin der eigenen Zeit sein – muss aber im Voraus einen Plan dafür erstellen. (Ob Sie ein Limit für elektronische Unterhaltung oder andere vernünftige Grenzen setzen, ist Ihnen überlassen. Ich würde es tun – sparsam allerdings, und wirklich nur, wenn die Gesundheit des Kindes gefährdet ist 😉 ) Lassen Sie das Kind den Tag nach den eigenen Vorstellungen verbringen und sprechen Sie am Abend darüber: Was war gut? Was weniger? Welche Pläne hast du umgesetzt? Was hat dir dabei geholfen? Was war schwieriger?

Über das Planen nachdenken und Strategien entwickeln, um die eigenen Pläne auch wirklich durchzusetzen – das ist eine gute Lernlektion!

Schritt 2: Wie teilen wir den Tag in «Lernzeiten» und «Freizeiten» ein?

Jetzt können Sie darüber sprechen, wie die nächsten Tage und Wochen aussehen sollen. Wann sind gute Lern- oder Arbeitszeiten? Wann ist Freizeit angesagt? So etwas kann zum Beispiel so aussehen:

Tagesplan Lernen Zuhause
Lernphasen zuhause – flexibel und in Blöcken.

Vielleicht müssen Sie sich über die guten Lernzeiten austauschen und einigen. Die einen Kinder lernen gerne gleich nach dem Aufstehen, andere spielen lieber ein bisschen. Wichtig ist es, sich über die «Blöcke» zu einigen und diese auch einzuhalten. Die Arbeit in Phasen hilft ebenfalls, das Zeitgefühl beim Lernen spürbar zu machen.

Schritt 3: Die Lernaufgaben planen

Helfen Sie dem Kind danach, sein Lernen gut zu planen. Was soll in welcher Zeit erreicht werden? Beachten Sie dabei unbedingt die durchschnittliche Zeit, in der ein Kind seine Aufmerksamkeit gezielt auf einen Lerninhalt richten kann:

5-7 Jährige: 7-10-Jährige 10-12-Jährige 12-15-Jährige
15 Minuten 20 Minuten 25 Minuten 30 Minuten

(Aus: Fabian Grolimund «Mit Kindern lernen» – er zitiert Keller (2005))

Nach einer Lernzeit von 15 – 30 Minuten (je nach Alter), sollte unbedingt Pause gemacht werden. Gute Pausen helfen, das Gelernte im Gehirn zu verfestigen. Wer sich kleine Pausen gönnt, kann danach frisch weiterarbeiten. Hier finden Sie Ideen für gute Pausen: Pausenideen.

So könnte ein Arbeitsplan für ein Primarschulkind aussehen:

15 Minuten Rechnen
5 Minuten Pause  
15 Arbeitsblatt Römer  
20 Minuten Pause  

Fabian Grolimund (www.mit-kinder-lernen.ch) empfiehlt: «Die Pausen zwischen einzelnen kurzen Lernabschnitten sollten lediglich fünf Minuten betragen. Erst nach zwei Lernphasen sollte eine grössere Pause von 20 bis 30 Minuten erfolgen. Die kurze Pause darf ihr Kind nicht aus dem Lernrhythmus bringen. (…) Die längere Pause von 20 bis 30 Minuten dient der Erholung und darf mit einer für das Kind angenehmen und etwas länger dauernden Tätigkeit (Puzzle, Spaziergang etc.) verbracht werden.»

Zugegeben: Geplant ist noch nicht gelernt. Aber: ein guter Plan ist die Basis für effektives Lernen!

Garantiert eine gute Planung, dass sie auch umgesetzt wird? Nein. Dafür braucht es noch anderes: attraktive Ziele, Motivation, Durchhaltewillen, Ausdauer…. Eine gute, realistische Planung ist aber eine gute Grundlage, auf der alles andere aufgebaut werden kann.