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Die Nase kann beim Lernen helfen

Nase lernt mit

Wie riecht für Dich Heimat?
Woran erinnert Dich Zimtduft?
Was sagt Deine Nase zu Zitrone, Orange oder Lavendel?

Ich gebe zu, über Aromatherapie habe ich bisher ein wenig gelächelt. Zwar hatte ich immer ein kleines Fläschchen Grapefruit-Öl in der Handtasche, weil ich diesen Duft so liebe. Bei Müdigkeit an der Arbeit oder direkt vor einem Referat habe ich diskret am braunen Fläschchen geschnuppert – und der Duft dieser süss-herben Zitrusfrucht durchströmte mich und gab mir neue Energie. Sicher, dachte ich, Parfüms und ätherische Öle sind nett für die Nase und fürs Gemüt – aber darüber hinaus?

Dufte Schule – duftes Lernen?

Dann begegnete mir im Radio der deutsche Riechforscher Hanns Hatt (auf Deutschlandfunk Nova kann das Gespräch mit ihm hier nachgehört werden). Seither bin ich fasziniert vom Thema Riechen. In einem längeren Vortrag auf Youtube erzählt Hatt unter anderem vom Schulprojekt «Dufte Schule», in dem untersucht wurde, wie die Nase das Lernen unterstützt. Dabei wurden Klassenräume mit den ätherischen Ölen von Zitrone, Orange und Lavendel beduftet. Von den Zitrusdüften ist bekannt, dass sie via Nase die Konzentration steigern. Lavendel wird schon seit Jahrhunderten zur Entspannung eingesetzt. Das Resultat der Studie mit 800 teilnehmenden Kindern ist erstaunlich: 46% spürten eine Verbesserung der Motivation, 41% nahmen eine Verbesserung der Konzentration wahr, 35% der teilnehmenden Schüler/innen verbesserten ihre Leistung und bei 38% nahm die Aggressivität ab. (Zur Studie: hier) Mir scheint, dass mit wenig Aufwand doch erstaunlich viel erreicht werden kann.

Wachmacher, PowerdüfteBeruhigende Düfte
Grapefruit, ZitroneBlumendüfte wie Lavendel, Jasmin, Rose
Rosmarin, Basilikum, Thymian Zypresse, Tanne, Sandelholz
Pfefferminze, Menthol, EukalytusOrange (angstlösend)

Die Nase – alle 30 Tage neu

Laut Hanns Hatt ist unsere Nase ein wahres Wunderwerk: Es sei das empfindlichste unserer Sinnesorgane, besitze über 30 Millionen Riechzellen und arbeite unser Leben lang Tag und Nacht. Unsere Riechzellen erneuern sich jeden Monat komplett – zumindest bis ins 70ste Lebensjahr. Danach nehme die Riechfähigkeit ab, was übrigens auch der Grund sei, weshalb vielen älteren Menschen ihr Essen nicht mehr richtig schmecke. Wie im Zusammenhang mit dem Gehirn ganz allgemein, gelte aber auch für unser Riechorgan: «Use it or lose it!» Wer übt und trainiert, kann auch bis ins hohe Alter eine Spürnase bleiben!

Via Nase ins Gehirn

Interessanterweise besitzt die Nase einen direkten Draht zu den ältesten Regionen unseres Gehirns. Duftstoffe erzeugen in unseren Riechzellen Stromimpulse, die zum Gehirn geleitet werden. Eine spezifische Gehirnregion ist besonders zugänglich für Duftmoleküle: der Hippocampus. Er ist nicht nur zuständig für das Kurz- und Langzeitgedächtnis, sondern ebenfalls für die Steuerung unserer Stressreaktionen. Diese wichtige Schaltzentrale lässt sich offenbar gut durch die Nase beeinflussen, etwa durch Blumendüfte, die eine beruhigende Wirkung haben.

Aber Vorsicht: Wenn wir uns zu lange mit demselben Geruch beduften, gewöhnen wir uns daran. Das Riechorgan stellt ab. Das kennt gut, wer Parfüm benutzt. Das eigene riechen wir nach wenigen Minuten nicht mehr. «Das System runterfahren, kurz an die frische Luft gehen – und dann wieder neu schnuppern», rät der Riechforscher Hatt.

Nase lernt mit…

Laut Hatt sind Dufterinnerungen in unserem Gedächtnis die stabilsten Erinnerungen, die wir überhaupt haben. Bereits der Embryo im Mutterleib nimmt Gerüche wahr und entwickelt Vorlieben. Ausserdem sind Geruchserinnerungen tendenziell positiver als andere Erinnerungen. Wie genau das alles funktioniert, ist noch nicht restlos geklärt und liefert der Forschung viele weitere Themen.

Erwiesen ist jedoch, dass das Geruchsgedächtnis sich Düfte merkt, die in glücklichen Momenten eingeatmet werden. Stichwort Apfelkuchen, frisch aus dem Backofen… Mit dem erneuten Schnuppern am Duft kann eine im Zusammenhang mit ihm erlebte Emotion willentlich abgerufen werden. Wer sich also angewöhnt, ruhige oder glückliche Momente mit einem spezifischen Duft zu verknüfen, kann damit in einem weniger entspannten Moment (oder sogar im Stress kurz vor einer Prüfung) ein Glücksgefühl auslösen. Glück in der Flasche? Ich denke da an mein kleines Fläschchen mit dem ätherischen Öl der Grapefruit, das immer griffbereit in der Tasche war. Für mich funktioniert das sehr gut!

Sinn-voll Gelerntes bleibt besser hängen.

Im Zusammenhang mit Lernkarten kenne und empfehle ich schon lange einen lustigen Trick: Wenn sich ein Wort partout nicht lernen lassen will, «beduften» wir das entsprechende Lernkärtchen einfach. Hier kann fröhlich ausprobiert werden: einen Klecks Nutella für «le courrier», ein bisschen Zimt für «the caretaker» oder Senf für ein besonders unbeliebtes Wort. Dabei müssen Duft und Wortsinn nicht einmal übereinstimmen – eine Lernkarte, die nach Nutella riecht, wird nie wieder vergessen. Wetten?

Natürlich wäre der Aufwand zu gross, eine ganze Lernkartei zu beduften. Aber solche kleinen Tricks helfen im Einzelfall – und sie machen auch noch Spass. Was den Lerneffekt zusätzlich verstärkt.

(Wenn Du wissen willst, wie systematisch mit Lernkarten gelernt wird, lies doch mal hier.)

Jede Nase ist anders…

Hanns Hatt zufolge gibt es zwar gewisse Gerüche (wie Lavendel), die auf die meisten Menschen dieselbe Wirkung haben. Dennoch lohnt es sich, genauer zu untersuchen, was jemand mit dem einen oder anderen Duft verbindet. Während die meisten Menschen beispielsweise den Geruch von frisch gebackenem Brot oder Apfelkuchen als angenehm empfinden, mögen nicht alle den Geruch von Kaffee oder Schokolade. Gerade weil das Erinnerungsvermögen so stark an die Nase gekoppelt ist, kann es auch sein, dass jemand mit einem bestimmten Duft ein unangenehmes Ereignis abgespeichert hat. Diesen gilt es dann natürlich eher zu meiden. (Interessant wäre es, zu erfahren, wie dies bei der Anwendung von Düften im Klassenzimmer berücksichtigt wurde!)

Experimentieren macht Spass!

Inzwischen bin ich ein grosser Fan von ätherischen Ölen – und meine Nase mutiert zum Versuchslabor. In meinem Garten wachsen viele verschiedene Pflanzen, die mir ihren Duft schenken: Pfefferminze, Basilikum, Salbei, Zitrusbäume und der unglaublich intensive Zieringwer (im Bild oben). Abends sprühe ich mir ein paar Tropfen Lavendel auf ein Tuch neben dem Kopfkissen, morgens schnuppere ich zum Wachwerden an den ätherischen Ölen von Pfefferminz, Rosmarin und Grapefruit. Und wenn ich ein bisschen Heimweh nach der Schweiz habe, rieche ich am Fläschchen mit Tannenduft – und stelle mir vor, wie ich auf an einem Waldrand an geschnittenen Baumstämmen vorbeigehe… «Gehen Sie mit offener Nase durch die Welt», rät denn auch der Riechforscher Hanns Hatt und fügt hinzu: «Statt Kreuzworträtsel sollten Sie lieber Dufträtsel lösen – sie regen den Geist sehr viel mehr an.»