Blog

Bitte recht freundlich! Positive Selbstgespräche helfen beim Lernen.

Selbstinstruktion

Freundliche Selbstgespräche sind hilfreich beim Lernen

«Ich bin so ein Idiot!» «Ich dumme Nuss – so schaffe ich das nie…» «Du Depp – lass es lieber gleich sein!»

Wer kennt sie nicht: diese wütenden Selbstbeschimpfungen, wenn etwas mal wieder schiefläuft. Wenn Aufgaben nicht auf Anhieb verstanden werden. Wenn es trotz Üben wieder nicht geklappt hat. Wenn in der Prüfung der Stress plötzlich wieder gross wird…

Gelegentlich die Geduld oder sogar die Fassung zu verlieren, ist nur menschlich. Aber leider selten zielführend. In schwierigen Situationen ist doch gerade ein kühler Kopf notwendig, um wieder klare Gedanken fassen zu können. Unter einem Dauerfeuer an Beschimpfungen ist das aber kaum möglich. Im Gegenteil: der Druck wird grösser, die Spannung wächst – und klare, vernünftige Gedanken zu finden, wird damit gerade verhindert.

Selbstbeschimpfung hat negative Auswirkungen

Dauernde Selbstbeschimpfung untergräbt auch das Selbstvertrauen. Wer traut sich schon etwas zu, wenn er oder sie andauernd und vielleicht sogar mehrmals täglich «Du Depp!» oder «Vollidiot» und Ähnliches hört?

Nach dem Prinzip «steter Tropfen höhlt den Stein» beginnen wir, uns  selbst zu glauben. «Das schaffe ich ja eh‘ nie.» «Dafür bin ich halt zu doof.»

Auch wenn sie gar nicht so ernst gemeint sind, langfristig führen solche Zuschreibungen zu einem negativen Selbstbild und zu einem verminderten Selbstvertrauen. Meistens passiert das ganz unbewusst.

Doch gerade Selbstvertrauen und ein positives Selbstbild sind beim Lernen ja ganz dringend notwendig.

Selbstinstruktion führt eher zu Lösungen

Wissenschaftler gehen davon aus, dass die innere Stimme schon in der frühen Kindheit angelegt wird. Schon kleine Kinder geben sich mit gut hörbaren Selbstgesprächen Hilfestellungen. Und, wie in diesem Artikel im Tages-Anzeiger erklärt wird: Wer Selbstgespräche führt, ist zufriedener.

Mit freundlicher verbaler Selbststeuerung können wir uns durch schwierige Situationen hindurchsteuern. Sonja zum Beispiel, leidet unter starkem Vortragsstress. Sie hat gelernt, ruhig und geduldig mit sich zu sprechen: «Sag mal Sonja, was macht dich eigentlich so nervös? Du machst das doch nicht zum erstenmal. Du hast schon vor ganz vielen Leuten gesprochen – und sie waren alle zufrieden und nett danach. Geh es jetzt einfach mal ruhig an. Zuerst kommt die Begrüssung – und wenn da ein paar Leute lächeln, ist der Anfang doch schon gemacht, und dann…»

Solche Selbstgespräche dürfen ruhig ein wenig kindlich klingen – und einfach praktische Anweisungen geben, was zu tun ist. Ein wenig Selbstbestätigung (Erinnerung an frühere Erfolge) tut in einer solchen Situation auch gut.

Muster für positive innere Monologe

  1. Sprich dich beim Namen an.
    Die Forschung hat gezeigt, dass es nützlich ist, sich selbst beim Vornamen zu nennen. Das schafft Distanz und lässt uns die bedrohliche Situation wie von aussen betrachten. Auch klingen wir dabei, als würden wir zu einem guten Freund oder einer guten Freundin sprechen – und das sind wir im besten Fall ja auch.
  2. Gib dir praktischen, konkreten Rat.
    Als nächstes kommt die konkrete, praktische Anweisung für den nächsten Schritt: Was kommt als nächstes? Was wäre jetzt hilfreich? Was kommt mir bekannt vor?
  3. Erinnere dich an frühere Erfolge oder Geleistetes.
    Lob tut immer gut – und wenn gerade niemand da ist, der oder die uns loben könnte, müssen wir es halt selbst tun. «Du hast so viel geübt, etwas wird schon klappen.» «Du bist stark und intelligent und hast schon ganz andere Stürme überstanden!»

Mit der Zeit werden durch solche Monologe die eigenen Selbstkontrolle- und Reflexionsfähigkeiten entwickelt. Diese sind  übrigens nicht nur in Lern- sondern auch in ganz alltäglichen Situationen nützlich. Ausserdem führen sie zu einem viel freundlicheren und entspannteren Umgang mit uns selbst führen. Milchglas umgestossen? Nicht: «Du Vollidiot, schon wieder!» sondern: «Hoppla, ganz schön temperamentvoll heute. Wo ist der Lappen?» Wirkt das nicht herrlich souverän?

Selbstbeobachtung braucht Zeit

Fragen Sie in heiklen oder schwierigen Situationen ab und zu: «Was sage ich gerade innerlich?» Halten Sie inne, beobachten Sie sich selbst quasi von aussen und lauschen Sie innerlich noch einmal nach, was Sie sich gerade gesagt haben. War es etwas wie: «Du schaffst das doch eh nie!» oder «Depp, du doofer»? Wie wäre es mit: «Ok, bleib cool – was ist zu tun?» oder «Entspann dich – du bist halt auch nur ein Mensch. Was wäre jetzt das Beste in dieser Situation?»

Freundliche Selbstansprache lässt sich (leider) nicht über Nacht entwickeln. Es ist hilfreich, einen überschaubaren Zeitraum von zwei oder drei Wochen zu bestimmen, und sich in dieser Zeit täglich zu beobachten:

  • Welches sind die Schimpfnamen, die ich mir am liebsten gebe?
  • In welchen Situationen bin ich besonders streng zu mir?
  • Könnte ich die üble Beschimpfung durch etwas Freundlicheres ersetzen?

Nehmen Sie sich morgens und/oder abends ein paar Minuten Zeit, in einem Heft oder Tagebuch festzuhalten, womit Sie sich heute wieder runtergemacht haben. Formulieren Sie jede Schimpftirade um in eine positive Selbstinstruktion.

Selbstinstruktion – eine wichtige Fähigkeit auch für Kinder!

Wer seinen Kindern zeigt, wie sie sich freundlich durch innere Gespräche führen, gibt ihnen etwas Wichtiges mit. Nicht nur für Lernsituationen, sondern auch für den Alltag. Zwei Beispiele:

Aufgabe Zimmer aufräumen

  1. «Schauen wir mal. Was ist eigentlich zu tun?» Diese Frage ist als Einstieg hilfreich – sie schafft einen ersten Überblick über die einzelnen Tätigkeiten. Bei kleineren Kindern ist darauf zu achten, dass die Liste der Aufgaben nicht zu lang wird (z.B. maximal drei oder vier Dinge auf einmal).
  2. «Ok – womit fange ich an?»
  3. «Erledigt. Und was kommt jetzt als nächstes?»
  4. Lob am Ende nicht vergessen: «Super! Alles erledigt, gut gemacht!»

Aufgabe Satzrechnung in Mathematik:

  1. «Lies erst einmal sorgfältig die Aufgabe.»
  2. «Was ist gegeben, was ist gesucht?»
  3. «Finde heraus, was zu tun ist.»
  4. «Überleg mögliche Lösungswege. Wähle einen aus und berechne ihn.»
  5. «Überprüfe, ob Deine Lösung tatsächlich die Antwort auf die gesuchte Frage war.»
  6. «Prüfe, ob Du richtig gerechnet hast.»

Es ist natürlich auch hier so, dass solche inneren Instruktionen richtig gehend eintrainiert werden müssen, bis sie sitzen. Also: Geduld und Kreativität sind gefragt. Meine Schüler bekommen manchmal kleine Instruktionskärtchen, die sie neben die Hausaufgaben oder in einer Prüfung neben die Aufgaben legen sollen – und die ihnen in der Not den Weg zeigen. Bisher hat noch keine Lehrperson etwas dagegen eingewendet, dass so eine Karte offen auf dem Pult lag, sogar während der Prüfung: «Lies die Aufgabe sorgfältig. Überleg, was genau gefragt ist. Rechne langsam. Überprüfe am Ende.»

Spielerisch und mit Humor geht’s am besten

Machen Sie ein Spiel daraus! Lassen Sie Ihre Kinder immer wieder einmal raten, was Sie sich innerlich gerade sagten. Wenn das Schnitzel angebrannt ist oder wenn Sie am gleichen Tag schon zum dritten Mal Ihren Schlüssel suchen. «Was glaubst Du, was ich mir jetzt gerade gesagt habe?» Umgekehrt können Sie raten, was sich das Kind in einer ählichen Situation innerlich sagt. «Könnte es sein, dass du dich gerade einen Idioten geschimpft hast? Das bist du nicht!»

Wenn eines meiner Kinder sich früher hörbar mit «oh, ich bin ja so blöd» oder «ich Depp!» beschimpfte, pflegte ich immer in gespielter Empörung zu rufen: «Würdest Du bitte mein geliebtes Kind nicht beleidigen? Es ist kein Depp!» Dann lachten wir miteinander. Sofort war die Situation entschärft und das Kind bereit, nach konstruktiven Lösungen zu suchen.