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Schlechte Noten trotz gutem Gefühl – warum?

Autopilot beim Lernen?
Autopilot beim Lernen?

Manche sind im Blindflug beim Lernen…

Schlechte Noten trotz gutem Gefühl – warum?

«Ich hatte ein sehr gutes Gefühl in den Prüfungen – und dann so miese Noten, wie kann das sein?!»

Schock, Unglauben und Empörung mischen sich in den Gesichtern meiner Schüler/innen, denen dies widerfährt – und es sind nicht wenige! Auf ein gutes Gefühl muss doch zwingend eine gute Note folgen, oder? Nein, leider nicht.

«Wenn Du glaubst, Du hast es gut gemacht, gibt es zwei Möglichkeiten:

  1. Du hast es gut gemacht
  2. Du hast es sehr schlecht gemacht»

Diese Erkenntnis stammt von den amerikanischen Forschern David Dunning und Justin Kruger, die zeigten, dass schwache Leistungen mit größerer Selbstüberschätzung einhergehen als stärkere Leistungen. «Wenn Menschen schlechte Leistungen erbringen oder inkompetent sind – wissen sie, dass sie inkompetent sind?» Diese Frage stand am Anfang ihrer Arbeit – und die Antwort ist so klar wie ernüchternd: «Sie wissen es nicht.»

Dunning und Kruger haben mit verschiedenen Studentengruppen Experimente durchgeführt, um herauszufinden, in welchem Verhältnis deren Inkompetenz und Selbsteinschätzung standen. Dafür mussten die Studienteilnehmer drei Tests absolvieren, bei denen Fragen aus den Bereichen Grammatik, logische Argumentation und Humor* abgefragt wurden. Am Ende der Testserie wurden die Teilnehmer gefragt: «Was denkst Du: Wie gut hast Du abgeschnitten im Vergleich mit den anderen?»

Unfähigkeit führt zu Selbstüberschätzung

Ein Viertel der Studienteilnehmer hat lediglich 11 – 13 Prozent des möglichen Maximalresultats erzielt. Überraschenderweise hatten diese Teilnehmer sich bei der Frage nach ihrem Abschneiden total verschätzt. Sie wähnten sich unter denjenigen, die 60 – 70 Prozent der möglichen Punkte erzielten.

Die Besten dagegen, die zwischen 80-90 Prozent der möglichen Punktzahl erzielten, gaben eine vorsichtigere Prognose ab: sie glaubten, zu der Gruppe zu gehören, die 65-85 Prozent der möglichen Punkte erhielten. Ihre Einschätzung lag also sehr viel näher an ihrem tatsächlichen Resultat.

 

Leistung Resultat Prognose
Schlechteste 25 % 11 – 13 Prozent 60 – 65 – 70 Prozent 
«die anderen sind dümmer»
Beste 25 % 80 – 90 Prozent 65 – 85 Prozent 
«die anderen sind ungefähr gleich intelligent»

 

Kruger und Dunnings Fazit lautet: Inkompetenz führt zu einem übersteigerten Selbstvertrauen. Sie erklären dieses Phänomen, das übrigens unter dem Namen Dunning-Kruger-Effekt weltweit bekannt wurde, so:

Um die eigene Kompetenz einschätzen zu können, benutzt das Hirn dieselben Informationsstrukturen, die es auch gebraucht, um diese Kompetenz auszuüben. Fehlt die Kompetenz – fehlt auch ein zuverlässiges Messinstrument dafür.

Einfacher gesagt: Fehlen mir umfassende Kenntnisse der Komma-Regeln, fehlt  mir auch das Instrument, mit dem ich messen kann, wie gut meine Kenntnisse der Komma-Regeln sind.

Das ist der Grund, weshalb manche Schüler und Schülerinnen gar nicht merken, dass sie im Vergleich mit anderen so viel schlechter abschneiden – sie gehen fröhlich davon aus, dass sie ungefähr gleich gut sind.

Vorsichtige Skepsis statt blindes Vertrauen

Nun ist ein gesundes Selbstvertrauen ja eigentlich eine gute Sache. Es wäre also schade, in ihr Gegenteil – übersteigerte Selbstzweifel – zu verfallen.

Richtig ist vielmehr, die eigenen Lernmuster zu erkennen:

  • Passiert es mir immer wieder, dass ich während der Prüfung ein gutes Gefühl habe, danach aber von einer schlechten Note «kalt erwischt» werde?
  • Kommt es (in einem oder mehreren Fächern) immer wieder vor, dass ich beim Lernen den Eindruck habe, alles zu können – dann aber eine unerwartet schlechte Note dafür erhalte?
  • Ja? Dann ist die Gefahr gross, dass ich meine eigene Inkompetenz unterschätze.

In diesem Fall ist es hilfreich, die beiden folgenden Punkte beim Lernen zu befolgen. Und zwar mindestens so lange, bis das positive Gefühl vor oder während einer Prüfung tatsächlich mit einem positiven Resultat übereinstimmt:

  1. Eine gesunde Skepsis gegenüber den eigenen Fähigkeiten entwickeln.
 Es lohnt sich, gewissen Gedanken für eine Weile grundsätzlich zu misstrauen. «Das kann ich», «das kann ich dann (während der Prüfung) schon», «das kenne ich» oder «wird schon irgendwie gehen» führen oft direkt in die Misere.
  2. Abfragen und testen. Gegen das Prinzip Hoffnung hilft eines: Sich selbst schonunglos abfragen oder testen. Erst, wenn ich Fragen (ohne jegliche Hilfe) richtig beantworte, bin ich ganz sicher, dass ich etwas kann: Kann ich es auswendig hersagen? Gelingt es mir, ein Mindmap zu zeichnen, in dem die wichtigsten (Lern)ziele abgebildet sind? Schreibe ich aus dem Stand einen kurzen Aufsatz über das Thema? Kann ich es – zum Beispiel anhand des Inhaltsverzeichnisses – jemandem erklären? Schaffe ich eine Probeprüfung ohne Hilfe?

*Humor wählten Kruger und Dunning, weil sie ein Gebiet suchten, das einerseits Wissen, andererseits aber auch Einfühlungsvermögen und Kenntnisse über den Geschmack und die Reaktionen anderer Menschen erforderte. Dabei gingen sie wohl von der Alltagserfahrung aus, dass die meisten Menschen ihre Fähigkeit überschätzen, voraussagen zu können, was für andere lustig ist.