Blog

Sag «Ja!» – oder wie man den Faulheitsreflex loswird

Faulheitsreflex
Faulheitsreflex

Nein, nein, nein! Der Faulheitsreflex ist aktiv.

«Nein!», «bloss nicht», «och nö», «nicht schon wieder …»

Es gibt Aufgaben, auf die reagieren wir fast schon reflexartig negativ. Beim Lernen können das die leidigen Vokabeln sein, aber auch Rechenaufgaben, Zeichnungen,  Vorträge, Schreibarbeiten – einfach alles, was uns nicht leicht und locker von der Hand geht.

Es gibt Phasen im Leben, wo dieses automatische «Nein» ein bisschen zu viel Raum einnimmt und – wie eine Art Klotz am Bein – alles mühsam und schwierig macht. Alfred Hellmann beschreibt in seinem amüsanten Buch «Disziplin für Faule»* den «Faulheitsreflex», der in uns irgendwann – aus welchen Gründen auch immer –  wächst und der dazu führt, dass wir automatisch mit «Nein!» reagieren – auf was auch immer wir tun sollten.

Faul sein ist anstrengend!

Anfänglich gilt das «Nein» nur den unangenehmen Dingen im Leben – doch weil es sich ja zu einem Reflex entwickelt, erfolgt es immer häufiger als Antwort – reflexartig halt. Schlimmstenfalls erfasst der Reflex sogar Angenehmes!

Die Folge ist ein zunehmendes Gefühl von Unlust, Trägheit. Vielleicht wächst so mit der Zeit sogar die Überzeugung, überhaupt ein Faulpelz zu sein.

Ist das angenehm? Überhaupt nicht. Macht es unser Leben (oder das Lernen) leichter? Im Gegenteil!

Hellmann (der sich ebenfalls zu den Faulen zählt) beschreibt das in seinem Buch augenzwinkernd so:

«Faul zu sein ist anstrengend. Faul zu sein ist viel anstrengender, als ‚Normalfleissige‘ es sich vorstellen können. Die Wahrheit ist nämlich: Wir Faulen arbeiten ununterbrochen. Tagtäglich leisten wir Schwerstarbeit bei der Erschaffung und Stabilisierung ausserordentlich komplexer Flucht- und Vermeidungssysteme. Aber nimmt das jemand zur Kenntnis? Belohnt uns irgendwer dafür? Belohnen wenigstens wir selbst uns dafür? Nein. Wir schämen uns.»

Das Muster dieses Faulheitsreflexes ist immer dasselbe:

  • Wenn wir etwas nicht tun, von dem wir wissen, dass es getan werden muss (und über kurz oder lang auch getan wird), fühlen wir uns nach dem «Nein» meist mies oder faul.
  • Wenn wir sehr oft «Nein» denken (und auch entsprechend handeln), haben wir sehr oft das Gefühl, faul und träge zu sein. (Die wenigen Male, in denen wir schneller und positiver reagieren oder sogar von uns aus initiativ werden, fallen kaum mehr ins Gewicht.)
  • Wenn wir das, was zu tun ist,  doch tun, ist es – grosse Überraschung! – meist weniger schlimm (weniger langweilig, weniger mühsam, weniger anstrengend), als zuvor angenommen.

So lässt sich der Faulheitsreflex überwinden:

  1. Erstellen Sie eine Liste der Tätigkeiten, die den Faulheitsreflex auslösen. Was wird von Ihnen sofort mit einer heftigen «Nein, will nicht»-Reaktion beantwortet?
  2. Streichen Sie jetzt diejenigen Dinge von der Liste, die Sie nicht unbedingt tun müssen. Ganz wichtig: Es dürfen nur Tätigkeiten auf Ihrer Liste stehenbleiben, von denen Sie wissen, dass Sie sie letztlich tun müssen – und die Sie bisher meist auch getan haben (wenn auch oft mit grossem inneren Widerstand oder nach langwierigem Aufschieben), obwohl Sie «Nein» dazu sagen. Die Liste sollte eine überschaubare Anzahl Tätigkeiten aufführen (z.B. 3 bis 6). Mit diesen beginnen Sie das «Sag-Ja»-Programm. (Das Ziel ist nicht, zu einem generellen Ja-Sager zu mutieren – das wäre nicht gut für den Charakter. Deshalb nehmen wir uns nur Tätigkeiten vor, die getan werden müssen.)
  3. Hängen Sie ein Kontrollblatt auf an einem Ort, wo Sie es oft sehen (z.B. Küchentür oder Innenseite der Toilettentüre etc.). Oder reservieren Sie eine Seite in Ihrer Agenda für diesen Zweck.
  4. Nehmen Sie sich vor, in den nächsten drei (bis 21) Tagen jedes Mal, wenn die definierten Tätigkeiten fällig sind, sofort laut und deutlich «Ja» zu sagen und sie sofort zu erledigen. (Die Ausführung muss möglichst rasch nach dem «Ja» erfolgen, idealerweise ebenso automatisch und reflexartig, wie bis dahin das «Nein».)
  5. Machen Sie einen Strich aufs Blatt für jedes «Ja», dem Sie brav gefolgt sind. (Oder kleben Sie einen Smiley auf dieses Blatt.) Sie können sich auch eine Belohnung für eine bestimmte Anzahl Striche aussetzen, falls dies Ihre Motivation fördert.
  6. Beobachten Sie, wie sich Ihre Laune in diesen Tagen verändert. Studieren Sie unbedingt auch Ihre Umgebung.

Der letzte Punkt ist besonders wichtig. Viele Leute erleben bei dieser Übung eine deutliche Aufhellung ihrer Grundstimmung – und derjenigen Ihrer Liebsten! (Die vielen «Nein», egal ob ausgesprochen oder bloss gedanklich, legen Schatten aufs Gemüt – ein paar frohe «Ja» sind da wie Sonnenstrahlen an einem Regentag. Ausserdem stellt sich auch rasch Stolz auf das Erreichte ein – ein zusätzlicher Motivationsfaktor.)

Wie Eltern ihre Kinder beim Ja-Sagen unterstützen können:

Eltern können die Liste gemeinsam mit dem Kind erstellen. Erklären Sie vorab aber auf jeden Fall, dass es sich um ein Experiment handelt, und dass es nicht darum geht, das Kind langfristig zum braven Soldaten zu formen. Seien Sie offen bezüglich des Resultats und interessiert am Verlauf des Experiments. Bei Kindern sind ein oder zwei Tage des Experimentierens oft schon ausreichend, um eine Veränderung festzustellen. Falls Sie eine Belohnung angemessen finden, sollten Sie im Voraus zweifelsfrei klären, wie ein «Ja» messbar ist (z.B. maximal 3 Minuten trödeln, sorgfältiger arbeiten als sonst, Zusatzaufgaben gelöst, Hausämtli ohne Murren erledigt etc.). Empfehlenswerter als materielle Belohnungen ist gemeinsam verbrachte Zeit (Spiel, Sport, Ausflug etc.).

*Leider ist Alfred Hellmanns Buch in gedruckter Form nicht mehr erhältlich, aber als eBook zum Beispiel hier .