Blog

Arbeiten lernen ist auch Lernen

Arbeiten lernen

Ist Lernen Arbeit? In gewisser Hinsicht schon, denke ich: Manchmal müssen wir es tun, obwohl wir keine Lust dazu haben. Manchmal ist Lernen anstrengend. Manchmal müssen wir uns durchbeissen, bis das Ziel erreicht ist. Lernen ist auch Arbeiten und Arbeiten auch lernen.

Zu Beginn der Corona-Krise hat mir jemand ein Buch geschenkt, das mir in ersten (eher chaotischen) Tagen eine wohltuende Morgenlektüre war: Die Kunst des achtsamen Putzens. Der japanische Mönch Shoukei Matsumoto schreibt über das Aufräumen und putzen. In einer Nebenbemerkung erzählt er, dass japanische Schulkinder einmal pro Woche miteinander ihr Klassenzimmer putzen.

Für unsere Schweizer Ohren klingt das wohl eher ungewöhnlich. Aber ich glaube, die japanischen Kinder bekommen durch diese Arbeit tolle Lerngelegenheiten:

  • Sie dürfen einen wesentlichen Beitrag leisten zur Gemeinschaft.
  • Sie erkennen den Wert von Teamarbeit.
  • Sie tun etwas Sinnvolles, das eine direkte Auswirkung auf ihren Alltag hat.
  • Sie lernen, Ordnung und Sauberkeit zu schätzen – weil sie selber daran gearbeitet haben.

Unangenehmes tun lernen

In meiner Lernpraxis begegnen mir sehr oft Jugendliche, die keinerlei unangenehme Tätigkeiten kennen. Wenn ich sie frage, wann oder wobei sie sich selber überwinden müssen, es trotz Unlust zu tun, fällt ihnen nichts ein. Ausser: das selbständige Lernen zu Hause. Und genau dies ist der Grund dafür, weshalb es ihnen so schwer fällt: Sie haben es nicht lernen müssen.

Eltern tun ihren Kindern einen Gefallen, wenn sie sie zum Arbeiten anhalten. Natürlich soll dies nicht in Kinderarbeit ausarten. Die regelmässige Mithilfe im Haushalt aber ist eine gute Vorbereitung aufs reale Leben. Und aufs Lernen!

Mütter: Verteilt die Arbeit neu!

Wir lesen Jahr für Jahr: Frauen leisten mehr Hausarbeit als Männer – selbst dann, wenn sie wie diese Vollzeit arbeiten. Das ist ungerecht und wir können uns die nächsten Jahre weiterhin darüber ärgern. Oder wir ändern uns selbst. Ich glaube, für Mütter sind gerade diese Chaostage die Gelegenheit, die Lasten gleichmässiger zu verteilen. Ganz oft höre ich: «Es dauert viel zu lange, dies dem Kind zu erklären – also mache ich es lieber selbst.» Stimmt: Es dauert, jemanden einzuweisen und anzuleiten. Aber diese Anfangsinvestition lohnt sich. Sie bekommen dafür Kinder, die eine Vorstellung davon haben, was es heisst, eine Familie am Laufen zu halten.

Erklären Sie, dass Sie nicht (mehr) bereit sind, die ganze Hausarbeit alleine zu erledigen. Dafür braucht es weder eine Rechtfertigung noch langatmige Erklärungen. Sagen Sie einfach: Ab heute brauche ich mehr Hilfe. Und dann diskutieren Sie miteinander, wer was machen kann.

Helfen Sie Ihren Kindern, das Arbeiten zu lernen – in drei Schritten:

Schritt 1: Übersicht schaffen

Erstellen Sie eine Liste dessen, was es alles zu tun gibt in der Wohnung. Hier finden Sie eine praktische Aufstellung. Überlegen Sie sich, was sie delegieren können. Kein Kind ist zu klein, um einen nützlichen Beitrag zu leisten. Wenn alle miteinander arbeiten, ist die Motivation grösser, als wenn jede/r einzeln vor sich hin werkeln muss. Wie daraus (in der Corona-Zeit im Home-School-Office) eine gute Gewohnheit werden kann – darüber habe ich hier geschrieben.

Schritt 2: Arbeit verteilen

Wählen Sie einen ruhigen Moment für eine Familienkonferenz. (Die meisten Kinder kennen den Klassenrat – sagen Sie einfach, es gelten dieselben Regeln. Ansonsten finden Sie hier eine praktische Anleitung.) Handeln Sie aus, wer wann wie viel zu tun hat. Oder zu welcher Tageszeit alle ihre Hausarbeiten erledigen. Und vergessen Sie nicht, Konsequenzen fürs Nichtbefolgen zu besprechen. Was passiert, wenn jemand seine Arbeit nicht tut? Kinder haben einen Sinn für Gerechtigkeit und sind in der Lage, Konsequenzen festzulegen und zu befolgen. (Früher hiess es: «Wer nicht arbeitet, soll nicht essen.» Heutzutage passt: «Wer nicht arbeitet, soll nicht gamen.») Stellen Sie gemeinsam eine Belohnung in Aussicht: «Wenn wir diesen Plan miteinander eine/zwei/drei/vier Wochen (abhängig vom Alter des Kindes – je jünger, desto kürzer) durchhalten, machen wir miteinander… » Wählen Sie eine Belohnung, die zu Ihrer Familie passt. Hier sind keine kostspieligen Ausflüge gefragt, sondern gemeinsam schön verbrachte Zeit. (Jede Familie hat dafür eigene Vorlieben.)

Schritt 3: Umsetzen

Planen ist einfach – die Umsetzung ist schwierig (wie immer und überall). Erstellen Sie einen Ämtli-Plan und schauen Sie in den ersten Tagen wie ein Sperber darauf, dass er eingehalten wird. Rechnen Sie unbedingt mit Widerstand! Richten Sie sich auf Rückfälle ein! Niemand gibt freiwillig Privilegien auf, die er/sie (allzu) lange genossen hat. Bleiben Sie stark. Wenn der Plan gemeinsam beschlossen wurde, können Sie das widerstrebende Kind leichter bei seiner Ehre packen: «Wir haben das miteinander so ausgemacht – jetzt halte Du bitte Dein Wort.» (Der kleine Hinweis «in unserer Familie halten wir Wort» wirkt Wunder – solange er für alle Mitglieder gilt.)

Ja, zum Arbeiten ist auch Willenskraft nötig. Am Anfang fehlt diese möglicherweise. Dann muss sie eben ein bisschen trainiert werden. Hier finden Sie ein Arbeitsblatt mit Ideen, wie der Willen gestärkt werden kann: «Willenskraft trainieren».